Ax Projects GmbH

 

Seilbahn in der Technologiewelt „Techno Ruhr International“: Ax Projects/ Ax Rechtsanwälte unterstützen Stadt Herne bei Planung und Umsetzung der Seilbahn in der Technologiewelt „Techno Ruhr International“.  

31 Jahre nach der Stilllegung der Zeche General Blumenthal in Herne kommt wieder Bewegung auf das Areal. Auf der Brache, die so groß wie 40 Fußballfelder ist, sollen Forschung, Entwicklung und Produktion einen Anziehungspunkt für Unternehmen und Hochschulen bieten und so den regionalen Wissenstransfer anschieben. Auf diese Weise soll die Technologiewelt „Techno Ruhr International“ eine qualitätsvolle Zukunftsentwicklung der Stadt und der Region ermöglichen. Zentrum der Anlage soll die runde Tech Hall werden. Daneben wird ein 600 Meter langer Gebäude-Komplex sowie ein Turm das Gelände prägen. So sollen Hochschulen, Unternehmen, Start-ups, Institute zum einen und das lokale Handwerk zum anderen Platz finden. Wohnen, Gastronomie, Kongresse und Co-Working sind dabei ebenfalls mitgedacht. Zukunftsträchtig ist auch die Verkehrsanbindung, die nach den derzeitigen Plänen über eine Seilbahn klimafreundlich mit dem nahegelegenen Hauptbahnhof Wanne-Eickel verbunden werden soll – und das Gelände an den ÖPNV anschießt. Es wird mit insgesamt zehn Jahren Bauzeit gerechnet, bis die Technologiewelt „Techno Ruhr International“ vollständig entwickelt ist.

 


AxProjects: Unsere Ausschreibungskonzepte: Planungsleistungen für den Neubau einer KiTa

 

A. Lose und Verfahren

1. Losaufteilung

Der Auftrag ist in die nachfolgend aufgeführten Fachlose aufgeteilt:

– Los 1: Objektplanung Gebäude und Innenräume

– Los 2: Fachplanung Tragwerksplanung

– Los 3: Fachplanung Technische Ausrüstung (Anlagengruppen 1 bis 3)

– Los 4: Fachplanung Technische Ausrüstung (Anlagengruppen 4 bis 7)

– Los 5: Objektplanung Freianlagen

Wenn Sie sich auf mehrere Fachlose bewerben möchten, müssen Sie separate Teilnahmeanträge und Angebote einreichen. Andernfalls kann der Auftraggeber das Angebot ausschließen.

2. Verfahrensablauf

Das Vergabeverfahren wird als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt und ist als zweistufiges Verfahren vorgesehen:

– Stufe 1: Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs kann jedes interessierte Unternehmen einen Teilnahmeantrag abgeben.

Die Teilnahmeanträge werden gem. der Eignungskriterien ausgewertet und somit die geeigneten Bewerber bestimmt. Auf Grundlage der Eignungskriterien und deren Gewichtung werden:

o für das Los 1 mindestens 3 maximal 10 Bewerber

o für die Lose 2-5 mindestens 3 maximal 5 Bewerber

zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Bei gleicher Qualifikation entscheidet das Los.

– Stufe 2: Nach Sichtung der Erstangebote ist vorgesehen die Angebote bei Bedarf mit den Bietern zu verhandeln. Hierzu kann der Auftraggeber alle Bieter eines Fachloses zu einem ca. einstündigen Präsentations- und Verhandlungstermin einladen.

Im Anschluss an die Verhandlungen wird der Auftraggeber die Bieter zur Abgabe eines finalen Angebotes auffordern. Der Auftraggeber behält sich vor, den Zuschlag auf Grundlage der Erstangebote zu vergeben.

Nach Eingang der finalen Angebote werden diese vom Auftraggeber anhand der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung ausgewertet. Auf dieser Grundlage wird das wirtschaftlichste Angebot ermittelt und für den Zuschlag ausgewählt.

Über die Entscheidung werden alle am Verfahren Beteiligten gem. § 134 Abs. 1 GWB informiert. Nach Ablauf der Wartefrist wird der Zuschlag erteilt.

3. Einreichung der Teilnahmeanträge

Das zur Verfügung gestellte Formular „Teilnahmeantrag“ ist von den interessierten Bewerbern vollständig auszufüllen. Der Teilnahmeantrag ist über die Vergabeplattform bis zum … einzureichen.

Der Teilnahmeantrag ist in deutscher Sprache zu verfassen.

Teilnahmeanträge, die bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht vollständig oder elektronisch über die Vergabeplattform eingereicht werden (z.B. über Email oder postalisch), können nicht berücksichtigt werden.

4. Einreichung der Angebote

Das Formular „Angebot“ ist von den Bietern, die zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert werden, vollständig auszufüllen und über die Vergabeplattform einzureichen. Das Formular wird Ihnen mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt. Der Zeitpunkt, zu dem das Angebot einzureichen ist, wird Ihnen mit der Angebotsaufforderung mitgeteilt.

Das Angebot ist in deutscher Sprache zu verfassen. Alle Preise sind in Euro mit höchstens zwei Nachkommastellen anzugeben.

Angebote, die bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht vollständig oder elektronisch über die Vergabeplattform eingereicht werden (z.B. über Email oder postalisch), können nicht berücksichtigt werden.

5. Entschädigung

Für die Ausarbeitung der Unterlagen sowie sonstige Aufwendungen werden den Bewerbern/Bietern die Kosten nicht erstattet.

6. Eignungskriterien

a) Zur Prüfung der Eignung sind die folgenden Unterlagen einzureichen:

– Eigenerklärung zur Eignung

– Verpflichtungserklärung Tariftreue etc

– Erklärung Vergabesperre

– Unternehmensbezogene Referenzen:

Der Bewerber muss über geeignete Referenzen verfügen. Dabei sind jeweils drei geeignete Referenzen je Los erforderlich. Geeignet sind Referenzprojekte dann, wenn der Bewerber bei diesen Projekten zwischen Januar 2012 und Dezember 2022 Leistungen erbracht hat, die mit der ausgeschriebenen Leistung nach Art und Umfang vergleichbar sind. Die Leistungen in den Referenzprojekten sind vergleichbar:

o für Los 1, wenn der Auftragnehmer Leistungen der Objektplanung Gebäude und Innenräume in den HOAI-Leistungsphasen 2-8 als Hauptauftragnehmer für die Errichtung eines Kitagebäudes oder eines vergleichbaren Gebäudes erbracht hat. Die Leistungsphase 8 muss dabei noch nicht abgeschlossen sein.

o für Los 2, wenn der Auftragnehmer Leistungen der Tragwerksplanung in den HOAI-Leistungsphasen 2-8 als Hauptauftragnehmer für die Errichtung, Umbau oder Sanierung einer Kita oder eines vergleichbaren Gebäudes erbracht hat.

o Für Los 3, wenn der Aufragnehmer Planungsleistungen der Technischen Ausrüstung Anlagengruppen 1 bis 3 in den HOAI-Leistungsphasen 2-8 als Hauptauftragnehmer für die Errichtung, Umbau oder Sanierung einer Kita oder eines vergleichbaren Gebäudes erbracht hat.

o Für Los 4, wenn der Aufragnehmer Planungsleistungen der Technischen Ausrüstung Anlagengruppen 4 bis 7 in den HOAI-Leistungsphasen 2-8 als Hauptauftragnehmer für die Errichtung, Umbau oder Sanierung einer Kita oder eines vergleichbaren Gebäudes erbracht hat.

o für Los 5, wenn der Auftragnehmer Leistungen der Freianlagenplanung in den HOAI-Leistungsphasen 2-8 als Hauptauftragnehmer für Errichtung von Freianlagen für Schul- oder Kitagebäude erbracht hat. Die Leistungsphase 8 muss dabei noch nicht abgeschlossen sein.

b) Auswahl der Bewerber zu Abgabe eines Angebots

Die Eignungskriterien zur Auswahl der Bewerber bilden die Referenzen (maximale Punktzahl 30).

Bei gleicher Qualifikation entscheidet das Los.

7. Zuschlagskriterien und deren Gewichtung

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Hierfür werden die Angebote der Bieter anhand der Zuschlagskriterien und der nachfolgenden Bewertungsmatrix ausgewertet.

B. Leistungsbeschreibung

1. Auftragsgegenstand

Die … plant den Neubau einer siebengruppigen Kindertagesstätte, um den Bedarf an Betreuungsplätzen auch zukünftig decken zu können. Die Gruppen werden wir folgt aufgeteilt: ….

Derzeit werden einzelne Gruppen bereits an provisorischen Standorten untergebracht. Die geplante Einrichtung soll am südöstlichen Ortsrand angesiedelt werden. Für die Einrichtung soll der Fokus auf die Sprachförderung und Inklusion gelegt werden. Der Bebauungsplan befindet sich in Aufstellung. Im Rahmen der vorliegenden Ausschreibung sollen die erforderlichen Planungsleistungen vergeben werden. Die Vergabe erfolgt losweise nach Fachlosen:

– Los 1 Gebäude und Innenräume

– Los 2 Tragwerksplanung

– Los 3 Technische Ausrüstung Anlagengruppen 1-3

– Los 4 Technische Ausrüstung Anlagengruppen 4-7

– Los 5 Freianlagen

2. Allgemeine Baubeschreibung / Raumprogramm

Die Grundlage für die Planung stellt das nachfolgende Raumprogramm sowie die gesetzlichen Vorgaben dar. Das Raumprogramm untergliedert die geplante Kita in vier Nutzungsbereiche:

I. Elternbereich

II. Gruppen- und Betreuungsräume

III. Küche

IV. Hauswirtschafts- und Personalräume

Die Summe aller Nutzungsbereiche liegt bei einer Gesamtfläche von ….

3. Baubeschreibung Neubau

3.1 Grundstück

3.2 Gebäude

3.3 Freianlagen

4. Kostenschätzung

Auf Basis des Raumprogramms und der Erkenntnisse aus der Flächenplausibilisierung wurden die Kosten für einen Neubau ermittelt.

Kostengruppe Kostenschätzung

100 Grundstück –

200 Vorbereitende Maßnahmen €

300 Bauwerk – Baukonstruktion €

400 Bauwerk – Technische Anlagen €

500 Außenanlagen und Freiflächen €

600 Ausstattung und Kunstwerke €

700 Baunebenkosten €

800 Finanzierung –

Gesamtkosten netto €

19% MwSt. €

Gesamtkosten brutto €

5. Städtebauförderung

Die Maßnahme wird … gefördert. In diesem Zusammenhang unterliegt das Vorhaben einer baufachlichen Prüfung. Während des gesamten Prozesses sind die Förderrichtlinien zu beachten. Die Projektunterlagen sind gem. der Vorgaben des Fördergebers zu führen. Zudem wird die Mitwirkung und Unterstützung bei der baufachlichen Prüfung sowie des abschließenden Verwendungsnachweises vorausgesetzt.

6. Zeitschiene

Nach erteiltem Zuschlag (voraussichtlich …) soll unmittelbar mit der Bearbeitung begonnen werden. Der Bauantrag ist im … einzureichen. Die Ausschreibung der ersten Bauleistungen ist mit Vorliegen der Baugenehmigung zu veröffentlichen. Als Baubeginn wird … angestrebt. Aufgrund der Bereitstellung der Fördermittel ist der Zeitplan zwingend einzuhalten.

7. Zusätzliche Leistungen

Zusätzlich werden die nachfolgenden zusätzlichen Leistungen beauftragt:

– Los 1:

o SiGeKo-Leistungen

o Schallschutzplanung

o Brandschutzplanung

8. Vertragsbedingungen

Die Vertragsbedingungen bestehen aus folgenden Vertragsbestandteilen:

– die Vergabeunterlagen einschließlich der Anlagen, des Verhandlungsprotokolls sowie Antworten auf Bieterfragen

– das Angebot des Auftragnehmers nebst Anlagen

– VOL/B in der jeweils gültigen Fassung

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Projektmitarbeiter (w/m/d)

 

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Kurz belichtet: Vermutungen ohne Anknüpfungstatsachen = Rüge „ins Blaue hinein“

 

1. Weist der Auftraggeber fristgemäße Rügen nach § 160 Abs. 3 GWB zurück und schafft keine Abhilfe, so muss innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB der Nachprüfungsantrag gestellt werden.

2. Eine unzulässige Rüge „ins Blaue hinein“ liegt vor, wenn der Antragsteller keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorträgt, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus.

3. Ist ein Angebot aufgrund fehlender Eignungsnachweise zwingend nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A 2019 auszuschließen, kommt es nicht darauf an, ob weitere Unterlagen form- und fristgerecht eingereicht wurden.

4. Der Anspruch auf Akteneinsicht umfasst nur die Unterlagen, die zur Durchsetzung des subjektiven Rechts des Verfahrensbeteiligten auch erforderlich sind. Sind Teile der Anträge des Antragstellers mangels ausreichender Rügen unzulässig, beschränkt sich das Akteneinsichtsrecht auf die für die Zulässigkeitsfrage entscheidungsrelevanten Aktenteile.

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Kurz belichtet: Keine Chance auf den Zuschlag: Nachprüfungsantrag erfolglos

 

VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.08.2022 – 3 VK 8/22

1. Ein Nachprüfungsantrag ist nur begründet, wenn neben einer Rechtsverletzung zusätzlich eine zumindest nicht ausschließbare Beeinträchtigung der Auftragschancen festgestellt werden kann. Kann sicher ausgeschlossen werden, dass sich ein festgestellter Vergabeverstoß auf die Auftragschancen des Antragstellers ursächlich ausgewirkt haben kann, bedarf es eines Eingreifens der Nachprüfungsinstanzen nicht.

2. Der Befund eines fehlenden Schadens stimmt überein mit der Feststellung eines fehlenden Rechtsschutzinteresses. Dieses besteht nur, wenn der gerügte Sachverhalt eine Verschlechterung der Zuschlagschancen mit sich bringt.

3. Offensichtliche Unbegründetheit liegt vor, wenn der Antrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg bietet. Davon ist auszugehen, wenn der Vergabekammer nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die Abweisung eines Antrags unzweifelhaft erscheint.

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Kurz belichtet: Einschätzung der Referenzgeber muss nicht überprüft werden

 

VK Rheinland, Beschluss vom 27.03.2023 – VK 1/23

1. Bei der materiellen Eignungsprüfung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Einschätzung der Referenzgeber zu überprüfen.

3. Bei der Bemessung der gebotenen Prüftiefe und des zu verlangenden Grades an Erkenntnissicherheit bestehen Zumutbarkeitsgrenzen. Der öffentliche Auftraggeber hat auch hinsichtlich der Tiefe der Eignungsprüfung einen Beurteilungsspielraum.

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Kurz belichtet: Keine automatische Verlängerung von Konzessionen

 

EuGH, Urteil vom 20.04.2023 – Rs. C-348/22

1. Art. 12 Abs. 1, 2 Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er nicht nur auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisende Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer anwendbar ist.

2. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Knappheit der natürlichen Ressourcen und der zur Verfügung stehenden Konzessionen in Kombination eines abstrakt-generellen Ansatzes auf nationaler Ebene und eines einzelfallbasierten, auf einer Analyse des Küstengebiets der betreffenden Gemeinde beruhenden Ansatzes beurteilt wird.

3. Art. 12 Abs. 1, 2 der Richtlinie 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass er die Pflicht der Mitgliedstaaten, ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber anzuwenden, sowie das Verbot, eine für eine bestimmte Tätigkeit erteilte Genehmigung automatisch zu verlängern, unbedingt und derart hinreichend genau definiert, dass davon ausgegangen werden kann, dass ihnen unmittelbare Wirkung zukommt.

4. Art. 288 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Beurteilung der unmittelbaren Wirkung der Pflicht und des Verbots, die in Art. 12 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2006/123/EG vorgesehen sind, sowie die Pflicht, entgegenstehende nationale Vorschriften unangewendet zu lassen, den nationalen Gerichten und den Verwaltungsbehörden einschließlich der kommunalen obliegen.

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Kurz belichtet: Ausschluss wegen Schlechtleistung setzt Anhörung des Bieters voraus

 

VK Sachsen, Beschluss vom 04.08.2022 – 1/SVK/013-22

1. Es ist für einen Ausschluss wegen vorangegangener Schlechtleistung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausreichend, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basieren und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen lassen.

2. Nachvollziehbar ist der Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB dann, wenn eine hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Pflichtverletzung gekommen ist und der Auftraggeber ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder einen Anspruch auf Schadensersatz oder vergleichbare Sanktionen aufgrund der Pflichtverletzung hat.

3. Vor einem Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist der Auftraggeber verpflichtet, das betreffende Unternehmen anzuhören, damit dieses die Möglichkeit erhält, die Vorwürfe zu widerlegen oder mögliche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB darzulegen.

4. Eine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B kann nicht als vorzeitige Beendigung i.S.d. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A 2019 herangezogen werden.

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VergMan ® Tiefbaurecht und Hochbaurecht: Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während des Annahmeverzugs

 

Ein Urteil des KG spricht dem Werkunternehmer eine Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während des Annahmeverzugs des Bestellers zu. Kann ein Werkunternehmer während des Annahmeverzugs des Bestellers die Vergütung aus dem gestörten Werkvertrag nicht wie vorgesehen erwirtschaften, steht ihm für diesen Umsatznachteil zwar keine Entschädigung aus § 642 BGB zu. Begehrt ein Werkunternehmer Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während dieses Annahmeverzugs, steht ihm dem Grunde nach ein Anspruch zu, er hat aber darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er die Arbeitskräfte im fraglichen Zeitraum nicht anderweitig einsetzen konnte. Zeigt der Besteller dem Unternehmer die Umstände an, die seinen Annahmeverzug begründen, so liegt in einer solchen Verzugsmitteilung in aller Regel eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, sodass dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch nach dieser Vorschrift zustehen kann. In diesem Fall besteht der Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B neben demjenigen aus § 642 BGB. Im Unterschied zu § 642 BGB gewährt er auch eine Mehrvergütung für annahmeverzugsbedingte Kostensteigerungen.
KG, Urteil vom 29.01.2019 – 21 U 122/18

A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem Bauvertrag über Trockenbauarbeiten in Anspruch, nachdem sie ihre Leistungen nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausführungsfristen abschließen konnte.

Der Beklagte, vertreten durch das Bezirksamt N…, schrieb für das Bauvorhaben „Erweiterungsbauten für die Gemeinschaftsschule auf dem Campus R…-…” im Jahr 2016 Trockenbauarbeiten aus. Die Trockenbauarbeiten waren in drei unterschiedlichen Gebäuden zu erbringen, nämlich dem „WAT-Gebäude” (im Folgenden auch „WAT”), dem „Elternzentrum” (im Folgenden auch „ELZ”) und der „Schulerweiterung” (im Folgenden auch „SCH”). Bei der Ausschreibung nahm der Beklagte Bezug auf die VOB/B und auf Besondere Vertragsbedingungen. Diese regeln in Ziff. 1 „Ausführungsfristen (§ 5 VOB/B)”, in Ziff. 10 sehen sie ergänzend zu Ziff. 1.2 für die Trockenbauarbeiten die folgenden „Einzelfristen” vor:

„1. Schulerweiterunga. Wände 1. Seite 21.11.2016 bis 13.01.2017b. Wände schließen 19.12.2016 bis 17.02.2017c. Decken 30.01.2017 bis 07.04.20172. Elternzentruma. Wände 1. Seite 04.07.2016 bis 29.07.2016b. Wände schließen 22.08.2016 bis 16.09.2016c. Decken 05.09.2016 bis 30.09.20163. WAT-Gebäudea. Wände 1. Seite 20.06.2016 bis 01.07.2016b. Wände schließen 15.08.2016 bis 02.09.2016c. Decken 29.08.2016 bis 16.09.2016”
Mit Schreiben vom 7. April 2016 gab die Klägerin ein Angebot zu einer Vergütung von 334.215,86 € zuzüglich 63.501,01 € Mehrwertsteuer = 397.716,87 € brutto ab. Von dieser Vergütung entfallen auf das Gebäude WAT 33.932,38 €, auf das Gebäude ELZ 71.673,06 € und auf das Gebäude SCH 228.610,42 € (Beträge jeweils netto). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 und 2 verwiesen.

Auf Bitten des Beklagten verlängerte die Klägerin zweimal die Bindefrist für ihr Angebot, zuletzt bis zum 5. August 2016. Mit Schreiben vom 2. August 2018 beauftragte das Bezirksamt N… die Klägerin gemäß ihrem Angebot (Anlage K 3). In diesem Schreiben hatte das Bezirksamt den folgenden Textbaustein angekreuzt:

”Ich fordere Sie auf, mit der Ausführung der Bauleistung gemäß Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen zu beginnen.”
Am 22. August 2016 fand eine Baubesprechung statt, an der unter anderem Vertreter der Klägerin und die Bauleitung des Beklagten teilnahmen. Dort gab die Bauleitung der Klägerin für ihre Arbeiten im Gebäude WAT einen Baubeginn am 5. September 2016 vor. Hinsichtlich des Gebäudes ELZ teilte sie der Klägerin – möglicherweise bei anderer Gelegenheit – mit, sie solle am 19. September 2016 mit den Arbeiten beginnen. In beiden Bereichen begann die Klägerin fristgerecht mit ihren Arbeiten, konnte sie aber erst im Februar bzw. März 2017 abschließen.

Im Gebäude SCH konnte die Klägerin erst am 2. Mai 2017 mit den Arbeiten beginnen und hatte sie am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch nicht abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe sich bei allen drei Gebäuden gemäß § 642 BGB im Annahmeverzug befunden, weil er ihr das Baugrundstück nicht so überlassen habe, dass sie die Trockenbauarbeiten innerhalb der Fristen ausführen konnte, wie sie in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgegeben waren. Aus diesem Grund sei der Beklagte verpflichtet, sie für den Umsatz zu entschädigen, der ihr dadurch entgangen sei, dass sie nicht innerhalb der Vertragsfristen die vertraglichen Leistungen ausführen und die hierfür vorgesehene Vergütung erwirtschaften konnte. Auch wenn sie diese Leistungen zeitlich verschoben nachholen konnte und musste, ändere dies nichts daran, dass ihr die Möglichkeit endgültig genommen sei, innerhalb der vertraglich vorgesehenen Zeitfenster die vereinbarte Vergütung zu erwirtschaften und dass ihr in der Zeit des Nachholens wegen der Bindung ihrer Produktionsmittel an den Vertrag mit der Beklagten die Möglichkeit genommen war, Umsatz aus anderen Aufträgen zu erzielen. Die Höhe ihres Anspruchs ermittelt die Klägerin in der Form, dass sie von ihrer Vergütung, soweit sie auf die drei Gebäude entfällt und nicht innerhalb der jeweils vorgesehenen Fristen erwirtschaftet werden konnte, sich die durch die Nichtleistung ersparten Material- und Gerätekosten abziehen lässt. Auf diese Weise hat sie eine auf § 642 BGB gestützte Entschädigungsforderung von zunächst 235.290,18 € (einschließlich Mehrwertsteuer) ermittelt.

Wegen dieser Forderung hat die Klägerin Klage gegen den Beklagten erhoben und ihre Forderung vor dem Landgericht auf zuletzt 216.836,94 € (einschließlich Mehrwertsteuer) ermäßigt. Mit Urteil vom 10. Juli 2018 hat das Landgericht die Klage gemäß dem Antrag des Beklagten abgewiesen. Diese Abweisung hat es vorrangig darauf gestützt, dass der Beklagte sich nicht im Annahmeverzug befunden habe. Dass die Klägerin ihre Leistungen in den drei Gebäuden unstreitig nicht zu den in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgesehenen Fristen habe erbringen können, sei unerheblich, denn aufgrund der verspäteten Auftragserteilung nach Bindefristverlängerung seien die (Teil-) Fristen 2.a (Gebäude ELZ) und 3.a (Gebäude WAT) schon bei Auftragserteilung vollständig verstrichen gewesen. Damit seien die Vertragsfristen insgesamt hinfällig geworden und könnten somit nicht den Mitwirkungsverzug des Beklagten begründen. Im Übrigen habe die Klägerin ihre Leistungen auch nicht gemäß §§ 293 ff BGB angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Begründung des Landgerichts wird auf diese Entscheidung verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und die Forderung um rund 9.000,- € (einschließlich Mehrwertsteuer) aufgrund der Anrechnung von anderweitigem Erwerb reduziert.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an sie 207.286,30 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ferner behauptet sie, die Klägerin habe ihre für den streitgegenständlichen Vertrag eingeplanten Arbeitskräfte jeweils an anderer Stelle des Bauvorhabens bzw. auf näher bezeichneten anderen Baustellen einsetzen können, sodass sie diese nicht aufgrund eines etwaigen Mitwirkungsverzugs des Beklagten vergeblich vorgehalten habe.

B.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I. Anwendbares Recht
Auf den Vertrag zwischen den Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

II. Kein Anspruch aus § 642 BGB
Der Klageanspruch ergibt sich nicht – auch nicht teilweise – aus § 642 BGB.
Nach § 642 hat der Unternehmer einen Entschädigungsanspruch gegen den Besteller, wenn dieser bei der Durchführung des Werkvertrags in Annahme- bzw. Mitwirkungsverzug geraten ist (beide Begriffe sind gleichbedeutend, vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 2) und dem Unternehmer dadurch ein nach dieser Norm ersatzfähiger Nachteil entstanden ist.

1. Entstehung eines Nachteils ist Anspruchsvoraussetzung
§ 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 19; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118). Der Anspruch aus § 642 BGB ist kein Schadensersatzanspruch, sondern er ist vergütungsähnlich (BGH, Urteil vom 24. Januar 1008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118, Rz. 11). Diese Vergütungsähnlichkeit zeigt sich darin, dass der Unternehmer nach § 642 BGB ein Entgelt für eine Leistung erhält, nämlich das vergebliche Bereithalten seiner Produktionsfaktoren während des Annahmeverzugs des Bestellers (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118), dass die Höhe der Entschädigung nach der vereinbarten Vergütung zu bestimmen ist (§ 642 Abs. 2 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16, Rz. 93) und dass sie der Umsatzsteuer unterfällt (BGH, Urteil vom 24. Januar 2088, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118).

Trotz dieser Vergütungsähnlichkeit kann einem Unternehmer aber nur dann ein Anspruch aus § 642 BGB zustehen, wenn ihm durch den Mitwirkungsverzug des Bestellers ein Nachteil entstanden ist. Hierin liegt kein Widerspruch. Das Erfordernis einer Nachteilsentstehung ist eine zwingende Folge des Umstands, dass der Anspruch aus § 642 BGB von den Parteien bei Vertragsschluss in der Regel nicht beziffert worden ist (Ausnahme: Eventualpositionen im Leistungsverzeichnis, vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 108). Aus diesem Grund ist für die Bestimmung der Anspruchshöhe eine Bemessungsgrundlage erforderlich, sonst ist der Anspruch konturenlos (KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16; Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16; Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 3 und 38 ff). Der durch den Annahmeverzug bedingte Nachteil ist genau diese Bemessungsgrundlage, die sodann einvernehmlich durch die Parteien oder einen Dritten, etwa ein Gericht, zu bewerten ist. Beim Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers aus § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B – zweifelsfrei ein Vergütungsanspruch -, verhält es sich genauso. Ändert der Besteller die Leistung des Unternehmers nach § 1 Abs. 3 oder 4 VOB/B, ist die geänderte Leistung typischerweise nicht bereits durch den ursprünglichen Vertrag bepreist, sodass sich die Frage der Ermittlung des Mehr- oder Mindervergütungsanspruchs stellt. Auch zu seiner Ermittlung, die einvernehmlich durch die Parteien oder im Streitfall durch einen Dritten – etwa ein Gericht – vorzunehmen ist, bedarf es einer Bemessungsgrundlage. Diese Bemessungsgrundlage sind die durch die Leistungsänderung bedingten Mehr- oder Minderkosten (vgl. § 2 Abs. 5, § 2 Abs. 6 Nr. 2 und § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B). Diese Mehr- oder Minderkosten beim Anspruch aus § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B entsprechen dem Nachteil beim Anspruch aus § 642 BGB. In beiden Fällen bilden sie die Bemessungsgrundlage für einen bei Vertragsschluss nicht einvernehmlich bezifferten Anspruch, ohne dass dieser dadurch die Rechtsnatur eines Schadensersatzanspruchs annimmt.

Nicht richtig wäre es, im Rahmen von § 642 BGB anstelle von „annahmeverzugsbedingtem Nachteil” in Anlehnung an § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B von „annahmeverzugsbedingten Mehrkosten” zu sprechen. Denn in einer solchen Terminologie läge bereits die Vorentscheidung, dass nach § 642 BGB nur Kostennachteile (erhöhte Kosten beim Unternehmer in Folge des Annahmeverzugs) ersatzfähig sind, nicht aber auch Umsatznachteile (dem Unternehmer entgangener Umsatz in Folge des Annahmeverzugs), was gerade im vorliegenden Fall zwischen den Parteien umstritten ist. Zwar kann nach Auffassung des Senats ein Anspruch aus § 642 BGB tatsächlich nur auf Kostennachteile gestützt werden, dieses Ergebnis muss aber erst noch begründet werden (hierzu unten II. 3.a) bb) (1)) und darf nicht durch die Terminologie vorweggenommen werden. Der vom Senat verwendete Begriff des Nachteils ist somit Ausdruck einer terminologischen Ergebnisoffenheit für die von der Klägerin vertretene Ansicht der Entschädigungsfähigkeit von Umsatznachteilen.

Die Anspruchsvoraussetzung eines Nachteils im Rahmen von § 642 BGB ist insbesondere auch durch die Rechtsprechung des BGH vorgegeben. Danach ist gerade nicht jeder annahmeverzugsbedingte Nachteil entschädigungsfähig: Vorhaltekosten sind es, Kostensteigerungen sind es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17). Diese Aussage des BGH verlangt, dass ersatzfähige Positionen – Vorhaltekosten – von nicht ersatzfähigen Positionen – Kostensteigerungen – unterschieden werden können. Eine solche Unterscheidung setzt aber voraus, dass, wenn sich ein Besteller im Mitwirkungsverzug befindet, zuallererst hierdurch bedingte Nachteile identifiziert werden, wie es der Senat fordert. Erst dann können in einem zweiten Schritt die nach Vorgabe des BGH nicht ersatzfähigen Positionen ausgesondert werden.

Es ist unerheblich, dass das Entstehen eines annahmeverzugsbedingten Nachteils nicht explizit in § 642 BGB erwähnt wird. Der Begriff des Nachteils erfüllt allein die Funktion, die durch § 642 BGB aufgeworfenen Rechtsfragen strukturiert abarbeiten zu können und dient somit der Gesetzesanwendung. Dies wird im Folgenden (vgl. II.3.a) bb)) ausgeführt.

2. Kein Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB hinsichtlich der Gebäude WAT und ELZ
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe ihre Bauleistungen im WAT-Zentrum und im Elternzentrum nicht in den vertraglich vorgesehen Fristen erbringen können, hat sie einen Anspruch aus § 642 BGB nicht dargelegt.

a) Fehlende Baufreiheit vor dem 5. bzw. 19. September 2016
Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe in den Gebäuden WAT und ELZ nicht vor dem 5. (WAT) bzw. 19. September 2016 (ELZ) und somit nicht zu Beginn der in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgesehenen Fristen bzw. nicht zu Vertragsbeginn mit ihren Arbeiten beginnen können, fehlt es bereits an einem Mitwirkungsverzug des Beklagten.

aa) Baufreiheit
Zwar gerät der Besteller grundsätzlich in Mitwirkungsverzug, wenn ein Bauvertrag Ausführungsfristen regelt und der Besteller dem Unternehmer das Baugrundstück zu Beginn der Frist nicht so zur Leistungserbringung bereit überlässt, wie es nach dem Vertrag hätte geschehen müssen („baufrei”). Denn wenn ein Unternehmer durch eine vertragliche Ausführungsfrist gebunden ist, ist er zugleich berechtigt, diese Frist auszuschöpfen. Dazu ist er aber nur in der Lage, wenn ihm der Besteller das Grundstück bei Fristbeginn baufrei überlässt, was dem Besteller folglich als Mitwirkung im eigenen Interesse obliegt. Wann das Grundstück als ”baufrei” anzusehen ist, d.h. welche Behinderungen der Unternehmer ggf. hinzunehmen hat und welche nicht, richtet sich danach, wie die Kooperation der Vertragsparteien im konkreten Einzelfall durch den Bauvertrag ausgestaltet ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017, VII ZR 194/13, BGHZ 214, 340, Rz. 18), das heißt, wie die Mitwirkungsschnittstelle (vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 19 ff) zwischen den Vertragsparteien durch den Vertrag definiert ist.

bb) Modifizierte Fristen für WAT und ELZ
Im vorliegenden Fall oblag es dem Beklagten nicht, der Klägerin die Gebäude WAT und ELZ vor dem 5. bzw. 19. September 2016 baufrei zu überlassen. Die Parteien haben in dem streitgegenständlichen Bauvertrag keine Ausführungsfristen für die Gebäude WAT und ERZ wirksam vereinbart. Zwar regelt Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen unter „2. Elternzentrum” und „3. WAT-Gebäude” solche Fristen, diese begannen aber im Fall von WAT am 20. Juni 2016 und im Fall von ERZ am 4. Juli 2016. Diese Regelung ist nicht Vertragsbestandteil geworden. Denn der Beklagte hat der Klägerin erst am 2. August 2016 den Auftrag erteilt, als der Fristbeginn schon seit mehreren Wochen verstrichen war. Der Vertrag ist deshalb so auszulegen, dass die Parteien ihn ohne die offenkundig nicht mehr einzuhaltenden Fristen für WAT und ERZ schlossen und er also insoweit eine Regelungslücke enthält, die entweder durch eine gesonderte Vereinbarung der Parteien, hilfsweise im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu füllen ist (BGH, Urteil vom 26. April 2018, VII ZR 81/17, Rz. 16; Urteil vom 10. September 2009, VII ZR 152/08, Rz 24 f).

Danach haben sich die Parteien im vorliegenden Fall auf den 5. bzw. den 19. September 2016 als neuen Beginntermin für die Gebäude WAT und ELZ geeinigt. Die erste Baubesprechung nach Auftragserteilung fand am 22. August 2018 statt. Davor hat die Klägerin dem Beklagten ihre Leistungen nicht angeboten. Auf der Besprechung hat der Bauleiter des Beklagten, der hierfür im Zweifel bevollmächtigt war, der Klägerin zunächst den 5. September 2016 als Baubeginn für das Gebäude WAT mitgeteilt, später dann den 19. September 2016 als Baubeginn für das Gebäude ELZ. Da die Klägerin dem nicht widersprach, in beiden Gebäuden sodann an diesen Tagen mit der Arbeit begann und die Parteien keine abweichende Vereinbarungen vorgetragen haben, sind im Zweifel diese beiden Tage einvernehmlich als neue Beginntermine festgelegt.
Wenn der Vertreter des Bezirksamts N… im Auftragsschreiben vom 2. August 2016 die Klägerin durch das Ankreuzen eines Textbausteins zum Arbeitsbeginn „gemäß Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen” aufforderte, kommt dem vor dem Hintergrund, dass die Beginntermine für WAT und ELZ bereits deutlich überschritten und damit erkennbar hinfällig geworden waren und sie außerdem auch nicht in Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelt waren, keine entscheidende Bedeutung zu.

b) Verlangsamte Bautätigkeit nach dem 5. bzw. 19. September 2016
Der Klägerin steht auch deshalb kein Anspruch aus § 642 BGB zu, weil sich der Beklagte nach dem Baubeginn in den Gebäuden WAT bzw. ELZ am 5. bzw. 19. September 2016 dort in Mitwirkungsverzug befunden hätte. Zwar deutet Einiges auf diese Möglichkeit hin. Denn nach den in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen ursprünglich vorgesehenen Fristen war für die Leistungen der Klägerin in diesen Gebäuden ein Zeitfenster von jeweils insgesamt 13 Kalenderwochen vorgesehen (WAT: vom 20. Juni bis zum 16. September 2016, ELZ: vom 4. Juli bis zum 30. September 2016 – jeweils ohne Berücksichtigung der Unterbrechungen). Ab dem neu vereinbarten Baubeginn am 5. bzw. 19. September 2016 war die Klägerin in beiden Gebäuden aber deutlich länger als 13 Kalenderwochen gebunden, nämlich bis zum Februar bzw. März des Jahres 2017.
Unerheblich ist insoweit, dass die Bautätigkeit der Klägerin in Gebäuden WAT und ELZ nach ihrem Beginn nicht zwangsläufig zu einem nicht geplanten vorübergehenden Stillstand gekommen sein muss, sondern möglicherweise nur langsamer voranschritt als vorgesehen. Denn auch wenn der Mitwirkungsverzug des Bestellers nicht zum Stillstand, sondern nur zur Verlangsamung der Arbeiten des Unternehmers führt, steht dem Unternehmer eine Entschädigung nach § 642 BGB zu, sofern er aufgrund dieser Verlangsamung seine Produktionsmittel länger vorhalten muss (KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 24/18; Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 49f, 63 ff).

Soweit von Althaus hiergegen vorgebracht wird, es sei „sehr zweifelhaft, ob eine eingeschränkte Baufreiheit, die lediglich ein Ausweichen in andere Baubereiche erfordert, einen Annahmeverzug begründen” könne (NZBau 2018, 646), geht dies am entscheidenden Punkt vorbei. Wenn ein Prozess verlangsamt ist, der Unternehmer aber „in andere Baubereiche” – also auf einen anderen Arbeitsprozess – ausweichen kann, liegt natürlich kein Annahmeverzug vor. Unter dem Schlagwort „Verlangsamung des Bauablaufs durch Mitwirkungsverzug” geht es aber um die Verlangsamung terminkritischer Abläufe, von denen der Unternehmer gerade nicht terminneutral „in andere Bereiche” überwechseln kann, sodass er seine Leistungsgeschwindigkeit notgedrungen drosseln muss. Weil damit die Leistungszeit zwangsläufig länger wird und der Unternehmer deshalb gezwungen sein kann (nicht: muss), seine Produktionsmittel länger vorzuhalten, ist er für solche Nachteile, sofern sie ihm aufgrund des verlangsamenden Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstehen, von diesem zu entschädigen (vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 82 ff). Richtig ist, dass solch ein annahmeverzugsbedingter Nachteil erst nach Ablauf der hypothetischen Dauer des gestörten Prozesses entsteht, allerdings irrt Althaus ebenfalls, wenn er meint, dass der Nachteil damit nicht während des Annahmeverzugs entstanden sei und deshalb aufgrund der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17) nicht entschädigt werden könne (NZBau 2018, 646). Tatsächlich dauert der Annahmeverzug so lange, wie der Besteller dem Unternehmer das Grundstück nicht in der Weise baufrei überlässt, wie es der Unternehmer nach dem Vertrag erwarten darf. Wenn der Unternehmer die verlangsamende Störung nicht einplanen musste, besteht der Verzug deshalb für die gesamte Dauer dieser Störung (also den gesamten verlangsamten ”Ist-Ablauf”), sodass grundsätzlich sämtliche Nachteile erstattungsfähig sind, die dem Unternehmer während des gestörten Prozesses entstehen.
Im vorliegenden Fall scheitert ein auf die Verlangsamung des Baugeschehens in den Gebäuden WAT und ELZ nach dem 5. bzw. 19. September 2016 gestützter Anspruch der Klägerin aber daran, dass sie weder dargelegt hat, welche konkreten Störungen aus der Mitwirkungssphäre des Beklagten es nach dem Baubeginn gegeben haben soll, noch dass die hiervon betroffenen Prozesse terminkritisch waren, für die Klägerin also keine Möglichkeit bestand, terminneutral auf die Abarbeitung eines ungestörten Prozesses auszuweichen. Nur dann kann die verlangsamende Störung beim Unternehmer zu erhöhten Vorhaltekosten geführt haben, das Faktum eines verlangsamten Bauablaufs allein genügt hierfür nicht.

3. Kein Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB hinsichtlich des Gebäudes SCH
Auch wegen des Gebäudes SCH steht der Klägerin kein Anspruch aus § 642 BGB gegen den Beklagten zu.

a) Kein Baubeginn vor dem 2. Mai 2017
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil sie mit den beauftragten Arbeiten im Gebäude SCH erst am 2. Mai 2017 beginnen konnte.

aa) Mitwirkungsverzug insoweit gegeben
Allerdings befand sich der Beklagte insoweit vom 21. November 2016 bis mindestens zum 2. Mai 2017 in Mitwirkungsverzug. Insoweit beurteilt der Senat den Rechtsstreit anders als das Landgericht.

(1) Fortgeltung der Fristen für das Gebäude SCH
Es oblag dem Beklagten, der Klägerin das Gebäude SCH zum Beginn der vertraglichen Ausführungsfrist am 21. November 2016 baufrei zu überlassen (vgl. oben II.2.a) aa)). Dieser Termin sowie die sonstigen Einzelfristen unter Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen (aufgeführt unter „1. Schulerweiterung”) haben für den streitgegenständlichen Vertrag Gültigkeit. Anders als bei den Fristen für die Gebäude WAT und ELZ war bei denjenigen für das Gebäude SCH bei Auftragserteilung am 2. August 2018 noch nicht der Beginntermin überschritten, vielmehr stand dieser erst mehr als drei Monate später an. Da der Fristenplan für SCH trotz der verzögerten Vergabe somit nominell noch einhaltbar war, ist er nicht ohne Weiteres obsolet geworden. Natürlich ist es möglich, dass der Fristenplan für SCH von denjenigen für die Gebäude WAT und ELZ in der Form abhängig ist, dass mit den Arbeiten in SCH zwangsläufig erst 9 bzw. 7 Wochen nach dem Ende von WAT bzw. ELZ begonnen werden kann (entsprechend dem zeitlichen Abstand zwischen dem 16. September bzw. 30. September und dem 21. November 2016, vgl. Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen, Zeilen 1.a, 2.c und 3.c). Das bedeutete, dass der zeitliche Abstand zwischen WAT und ELZ einerseits und SCH andererseits terminkritisch wäre, also keine „Zeitpuffer” enthielte. Genau dies behauptet auch der Beklagte (vgl. z.B. Schriftsatz vom 7. Mai 2018, S. 6) und ist vom Landgericht der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundegelegt worden. Allerdings bestreitet die Klägerin die Abhängigkeit der Fristen für SCH von denjenigen für WAT und ELZ (vgl. z.B. Berufungsbegründung S. 13). Da diese Abhängigkeit jedenfalls nicht zwingend ist, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die nicht durch die Vergabeverzögerung überholten Fristen für SCH fortgalten und von der Klägerin beachtet werden mussten, um nicht in Verzug geraten, woraus im Gegenzug wiederum der Mitwirkungsverzug des Beklagten folgt, wenn er der Klägerin keine Baufreiheit zum Fristenbeginn ermöglicht.

Auf seine vom Landgericht abweichende rechtliche Bewertung musste der Senat den Beklagten aber nicht hinweisen, weil der Anspruch der Klägerin aus einem anderen Grund scheitert (dazu unten bb)).

(2) Mitwirkungsverzug des Beklagten
Der Beklagte befand sich somit vom 21. November 2016 bis (mindestens) zum 2. Mai 2017 in Mitwirkungsverzug, weil er der Klägerin das Gebäude SCH innerhalb der fortgeltenden vertraglichen Fristen (vgl. Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen) und auch danach nicht baufrei überließ, vermutlich deshalb, weil die Vorgewerke nicht ausreichend vorangeschritten waren. Dies war für den Beklagten auch offenkundig (vgl. § 6 Abs. 1 VOB/B).

bb) Der Klägerin ist kein Nachteil entstanden
Gleichwohl steht der Klägerin kein Anspruch aus § 642 BGB gegen den Beklagten zu. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass ihr durch den Mitwirkungsverzug des Beklagten ein zu entschädigender Nachteil entstanden ist.

(1) Zeitbezogener Umsatzverlust aus dem Bauvertrag als Nachteil?
Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihres Anspruchs aus § 642 BGB primär darauf, dass es ihr infolge des Mitwirkungsverzugs des Beklagten betreffend das Gebäude SCH nicht möglich gewesen sei, den hierauf entfallenden Anteil der vereinbarten Vergütung (rund 228.000,- € netto). innerhalb des vorgesehenen Zeitraums vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 zu erwirtschaften. Somit belaufe sich ihr annahmeverzugsbedingter Nachteil auf den Umsatz, den sie andernfalls aus dem Vertrag im Zeitraum des Annahmeverzugs erwirtschaftet hätte, abzüglich der Aufwendungen, die sie dadurch erspart hat, dass sie ihre Leistungen tatsächlich nicht ausführen konnte. Diese Einsparungen beziffert die Klägerin mit rund 86.000,- € für nicht verwendetes Material und nicht verwendete Geräte, sodass sich eine Entschädigung von rund 142.000,- € errechnet. Davon zieht sie sodann anderweitigen Erwerb ab, der sich angeblich auf rund 8.000,- € belaufen soll (vgl. Klageschrift vom 18. Dezember 2017, S. 10 f sowie Berufungsbegründung vom 20. September 2018, S. 18).

Auf diese Weise lässt sich kein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB begründen. Denn auch wenn der Mitwirkungsverzug des Bestellers dazu führt, dass während seiner Dauer der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht oder nicht in der vorgesehenen Höhe erwirtschaften kann, ist dieser zeitbezogene Umsatzverlust kein nach § 642 BGB ersatzfähiger Nachteil.

(aa) Berechnung des zeitbezogenen Umsatzausfalls
Allerdings lässt sich die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls nicht schon mit dem Argument ablehnen, der Unternehmer habe aufgrund des Mitwirkungsverzugs die Vergütung aus dem gestörten Vertrag nicht endgültig verloren, sondern erziele sie nur zeitlich verzögert.

Beispiel 1: Der Besteller B 1 beauftragt den Unternehmer U mit Bauleistungen zu einer Vergütung von 120.000,- € (im Folgenden auch kurz: 120 t €). Dieser Auftrag A 1 soll nach dem vertraglichen Terminplan während der Monate M 1 bis M 3 ausgeführt werden. Aufgrund des Mitwirkungsverzugs von B 1, kann U den Vertrag erst in den Monaten M 5 bis M 7 ausführen. U nimmt B 1 nun dafür aus § 642 BGB in Anspruch, dass er die vertragliche Vergütung nicht in den Monaten M 1 bis M 3 habe erwirtschaften können.

Dieses Beispiel zeigt: Dem Unternehmer ist der Umsatz aus A 1 nicht endgültig entgangen, er konnte ihn in den Monaten M 5 bis M 7 realisieren, dies war lediglich zeitversetzt. Allerdings ist dem Unternehmer endgültig die Möglichkeit genommen, die Vergütung im Zeitraum M 1 bis M 3 zu erwirtschaften. Die Nachholung des Umsatzes in M 5 bis M 7, ist aufgrund der begrenzten Produktionskapazitäten eines Unternehmers kein vollwertiger Ersatz, denn sie bindet diese Kräfte und nimmt ihm zugleich die Möglichkeit in M 5 bis M 7 Umsatz aus eventuellen anderen Aufträgen zu erzielen. Wenn ein Mitwirkungsverzug bezogen auf einen bestimmten Zeitraum (M 1 bis M 3) zu einer Umsatzeinbuße beim Unternehmer führt, dann spricht Vieles dafür, dass diese Einbuße in der Folgezeit zumindest nicht mehr vollständig ausgeglichen wird und im Vermögen des Unternehmers fortwirkt. Da dem Unternehmer zugleich im Zeitraum M 1 bis M 3 Kosten entstanden sind (wenngleich sie geringer waren, als wenn er den Auftrag A 1 in dieser Zeit ausgeführt hätte), spricht dies durchaus für die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls nach § 642 BGB, wobei die ersparten Aufwendungen in Abzug zu bringen wären:

Beispiel 2: Im Beispiel 1 lässt sich die Vergütung von U wie folgt aufschlüsseln:
Arbeitskräfte:40 t €Material:40 t €Geräteeinsatz:20 t €Kosten gesamt:100 t €Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten: 10 t €Gewinn:10 t €Vergütung gesamt:120 t €
Da der Unternehmer in M 1 bis M 3 nicht für den Auftrag gearbeitet und folglich kein Material verbraucht hat, müsste er sich die Materialkosten in Höhe von 40 t € abziehen lassen. Im Übrigen hätte er aber im Zweifel nichts erspart, sofern er seine Arbeiter und Geräte durchgängig in seinem Unternehmen vorhält und sie somit bezogen auf die Monate M 1 bis M 3 nicht variabilisiert sind (was allerdings der Fall wäre bei ad hoc angeworbenen Leiharbeitern oder Mietgeräten). Somit beliefe sich im Beispiel 2 die Entschädigung gemäß § 642 BGB für U auf 120 t € – 40 t € = 80 t €, wobei etwaiger anderweitiger Erwerb von U noch nicht berücksichtigt ist. Da U sodann im Zeitraum M 5 bis M 7 die Vergütung von 120 t € „regulär” als Gegenleistung für die beauftragten Leistungen erwirtschaftet hat, stünden ihm gegen B 1 aus dem Vertrag A 1 insgesamt Ansprüche in Höhe von 80 t € + 120 t € = 200 t € zu. Genau nach diesem Muster hat die Klägerin vorliegend ihre auf § 642 BGB gestützte Klageforderung berechnet, wobei sie sich zusätzlich noch geringe Gerätekosten und einen geringen anderweitigen Erwerb abziehen lässt.

(bb) Aber: Keine Entschädigungsfähigkeit
Trotz dieser Überlegungen ergibt aber eine genauere Betrachtung, dass ein Unternehmer aus § 642 BGB keine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall beanspruchen kann, der ihm aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstanden ist (vgl. hierzu auch Sienz, BauR 2014, 398).

(aaa) Rechtsprechung des BGH
Dies lässt sich nach der Auffassung des Senats bereits aus der Rechtsprechung des BGH, nämlich dem Urteil vom 26. Oktober 2017 (VII ZR 16/17) ableiten. Nach dieser Entscheidung gewährt § 642 BGB dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung dafür, dass er seine Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung während der Dauer des Annahmeverzugs des Bestellers bereithält. Der zeitbezogene Umsatzausfall würde zwar das zeitliche Begrenzungskriterium dieser Entscheidung einhalten, denn es handelt sich um einen Nachteil, der dem Unternehmer ebenfalls „während der Dauer des Annahmeverzugs” entstanden ist. Allerdings ist dieser Entscheidung noch ein zweites inhaltliches Begrenzungskriterium zu entnehmen, wonach der Unternehmer nach § 642 BGB nur für Nachteile zu entschädigen ist, die ihm durch den vergeblichen Vorhalt von Produktionsfaktoren während des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstehen. Dies spricht dafür, dass gemäß § 642 BGB nur Nachteile auszugleichen sind, die in der Erhöhung seiner Kosten liegen, nicht aber ausgebliebene Umsatzerlöse. Die Beschränkung des Anspruchs aus § 642 BGB ausschließlich auf Vorhaltekosten ergibt sich nach der Einschätzung des Senats schon daraus, dass der BGH sogar die Entschädigungsfähigkeit von Kostennachteilen verneint, die keine Vorhaltekosten sind, sondern Kostensteigerungen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17). Damit muss die Entschädigungsfähigkeit von Umsatznachteilen erst recht ausgeschlossen sein. Hierfür spricht ferner die Bemerkung des BGH in dieser Entscheidung, wonach der „entgangene Gewinn” des Unternehmers nicht vom Anspruch aus § 642 BGB umfasst sei (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017,VII ZR 16/17, Rz. 45 e.E.), wobei aber auf der anderen Seite zu bemerken ist, dass sich entgangener Umsatz nicht in entgangenem Gewinn erschöpft: Entgeht dem Unternehmer die Vergütung aus dem Bauvertrag im Beispiel 2, so beläuft sich sein entgangener Umsatz auf 120 t €, sein entgangener Gewinn hingegen nur auf 10 t €.

(bbb) Interessengerechtigkeit
Die Ansicht, wonach der Ersatz von zeitbezogenen Umsatzausfällen nicht nach § 642 BGB zu entschädigen ist, ist auch interessengerecht.
Dies zeigt ein Vergleich des Werkvertrags mit dem Dienstvertrag. Bei beiden Vertragsformen will ein Leistungserbringer (einerseits Werkunternehmer, andererseits Dienstverpflichteter, z.B. Arbeitnehmer) durch den Einsatz von Produktionsfaktoren eine Vergütung erzielen. Beim Dienstvertrag sind die Produktionsfaktoren des Dienstverpflichteten – im Wesentlichen seine Arbeitskraft – typischerweise eng an den Vertrag gebunden, insbesondere wenn er sie zu vorgegebenen Zeiten bereithalten und einsetzen muss. Gerät der Leistungsempfänger zur Dienstzeit in Annahmeverzug (zum Beispiel: Werkschließung an drei Tagen aufgrund ausbleibender Zulieferungen) ist es deshalb gerechtfertigt, dass der sich bereithaltende Dienstverpflichtete die Vergütung weiter gezahlt bekommt, obgleich er wegen des Annahmeverzugs des Dienstberechtigten keine Dienste erbracht hat. Dieses Ergebnis leistet die Regelung des § 615 BGB, die nach der Systematik des BGB keine Anspruchsgrundlage ist, sondern „einwendungsvernichtende” Wirkung hat (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019, § 615 BGB, Rz. 3 m.w.N.): Während sich der Dienstberechtigte gegenüber dem Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten für die drei Ausfalltage (§ 611 BGB) wegen des synallagmatischen Charakters des Dienstvertrags zunächst auf den Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit” berufen kann (Einwendung), kann der Dienstverpflichtete wiederum § 615 BGB ins Feld führen, wonach ihm seine Vergütung für die Dauer des Annahmeverzugs des Dienstberechtigten erhalten bleibt, wenn er die Dienste aus diesem Grund nicht erbringen konnte. Dieses Ergebnis ist interessengerecht, wenn und soweit der Dienstverpflichtete aufgrund der vertragstypischen Pflicht, seine Arbeitskraft zu bestimmten Dienstzeiten bereitzuhalten, typischerweise keine Möglichkeit hat, mit diesem Produktionsfaktor anderweitig Umsatz zu erzielen, wenn der Vertragspartner in Annahmeverzug gerät.

Dieses Ergebnis würde auch im Rahmen des Werkvertrags gelten, wenn der zeitbezogene Umsatz als Nachteil im Rahmen des § 642 BGB ersatzfähig wäre. Beim Werkvertrag kann der Leistungserbringer (Unternehmer) seine Produktionsfaktoren (die Arbeitskraft des Unternehmers bzw. seiner Angestellten sowie Material und Geräte) aber in der Regel flexibler einsetzen als der Arbeitnehmer als typischer Leistungserbringer beim Dienstvertrag. Denn anders als im Regelfall ein Arbeitnehmer schuldet der Werkunternehmer dem Besteller nicht zwangsläufig den vollen Einsatz aller seiner Produktionsmittel zu bestimmten Dienstzeiten. Selbst wenn der Werkunternehmer sein Werk zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen hat, ist er in der Regel nicht verpflichtet, sein Unternehmen durchgängig ausschließlich für einen Auftrag bereitzuhalten. Aus diesem Grund kann er – anders als ein durch Dienstzeiten gebundener Dienstverpflichteter – mehrere Werkverträge schließen, die er sodann nach Maßgabe des Einzelfalls zeitlich parallel abarbeiten kann.
Beispiel 3: Wie das obige Beispiel 1. B 1 befindet sich in M 1 bis M 3 durchgängig in Mitwirkungsverzug. Allerdings sind U in diesem Zeitraum von den weiteren Bestellern B 2 bis B 10 weitere Aufträge – A 2 bis A 10 – erteilt.

Dieser Fall belegt die unterschiedliche Situation von Werkunternehmer und Arbeitnehmer: Der Annahmeverzug von B 1 kann, muss aber nicht dazu führen, dass U während M 1 bis M 3 keinen Umsatz mit seinen Produktionsfaktoren erzielt. Vielmehr kann U, sobald er mit dem Annahmeverzug konfrontiert ist, auf die Abarbeitung eines anderen Auftrags aus seinem Bestand (A 2 bis A 10) überwechseln. Durch den Prozess des Überwechselns entsteht ein Zeitverlust, der länger oder kürzer sein kann: Ist U ein Schreiner, der an einem Möbelstück nicht weiterarbeiten kann, weil der Besteller notwendige Entscheidungen über die Gestaltung nicht trifft, geht es um die Zeit, die verstreicht, bis er das Möbelstück in der Werkstatt zur Seite geräumt und die Arbeit an einem anderen Auftrag aufgenommen hat. Ist U ein Bauunternehmer, geht es um die Zeit, die verstreicht, bis er nach Absprache mit einem seiner anderen Auftraggeber (B 2 bis B 10) auf einer der anderen Baustellen arbeiten kann. Die Produktionsfaktoren von U sind hier also nicht für den gesamten Annahmeverzug, sondern nur für die Dauer der Umschaltphase unproduktiv.

Die Umschaltphase kann im Einzelfall durchaus länger sein.

Beispiel 4: Wie Beispiel 3, allerdings hatte U Anlass, einen Teil seiner Produktionsfaktoren in den Monaten M 1 bis M 3 ausschließlich für A 1 einzuplanen. Aus diesem Grund hatte U für sämtliche anderen Aufträge seines Bestands (A 2 bis A 10) von vornherein und unwiderruflich Zeitfenster nach M 1 bis M 3 vereinbart. Als B 1 in Mitwirkungsverzug gerät, gelingt es U deshalb nicht, die für A 1 vorgesehenen Produktionsfaktoren innerhalb von M 1 bis M 3 auf einen anderen Auftrag umzusetzen.
Hier hat U keine Möglichkeit, mit seinen für A 1 bereitgehaltenen Produktionsmitteln innerhalb von M 1 bis M 3 anderweitigen Umsatz zu erzielen. Aufgrund der engen Bindung der Produktionsfaktoren an A 1 im Beispiel 4 ist der vollständige Umsatzverlust aus A 1 nun also doch eine Folge des Mitwirkungsverzugs von B 1.

Nach Einschätzung des Senats ist eine solche enge Bindung der Produktionsfaktoren anders als beim Dienstvertrag für den Werkvertrag aber nicht charakteristisch. Natürlich müssen Bauunternehmer häufig Fertigstellungstermine einhalten. Diese Termine können aber durchaus auch so angesetzt sein, dass der Unternehmer nicht alle für den Vertrag erforderlichen Produktionsmittel durchgängig auf der Baustelle einsetzen muss. Außerdem gibt es regelmäßig auch Werkverträge ohne strenge terminliche Bindung, die ebenfalls die Möglichkeit eröffnen, Leistungen vorzuziehen oder für kurze Zeit zu unterbrechen. Gerade auch im vorliegenden Fall hat sich im Verlauf des Rechtsstreits herausgestellt, dass die Klägerin durchaus die Möglichkeit hatte, während des Annahmeverzugs des Beklagten bei dem Gebäude SCH mit ihren Arbeitnehmern auf andere Verträge überzuwechseln (vgl. unten II.3.a) bb) (5) (c)).
Bei Werkverträgen, die keine Bauverträge sind, ist die Bindung der Produktionsmittel des Unternehmers an einen bestimmten Vertrag typischerweise noch weniger eng. Ein Bauvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Unternehmer seine Leistungen primär oder sogar vollständig, auf einem fremden Grundstück erbringen muss und deshalb verstärkt von der Terminplanung des Bestellers und anderer Gewerke abhängig ist. Anders verhält es sich bei einem Unternehmer, der in seiner Werkstatt oder seinem Büro arbeiten kann, wie etwa ein Schneider, Schreiner, Schuster, ein Softwareentwickler oder ein planender Architekt. Einem solchen Unternehmer ist das Umschalten seiner Leistungen von einem gestörten Vertrag auf einen anderen Vertrag noch leichter möglich als einem Bauunternehmer. Dieser Aspekt ist deshalb bedeutsam, weil § 642 BGB, um dessen Auslegung es hier geht, keine spezifisch bauvertragliche Regelung ist, sondern zum allgemeinen Werkvertragsrecht gehört, das vom Gesetzgeber des BGB nicht mit Fokus auf das Bauvertragsrecht geschaffen worden ist.
Wenn es auch nicht der vollständige zeitbezogene Umsatz ist, entstehen einem Werkunternehmer durch den Annahmeverzug des Bestellers zweifellos Nachteile, weil er seine für den Vertrag benötigten Produktionsfaktoren wie bereits erwähnt zumindest für die Phase des Umschaltens der Leistungserbringung auf einen anderen Auftrag vergeblich vorhält. Für eben diese Vorhaltekosten erhält er aber auch eine Entschädigung nach § 642 BGB. Es ist lediglich nicht gerechtfertigt, dem Unternehmer unabhängig von der Darlegung konkreter Vorhaltekosten die zu seinen Gunsten stärker pauschalierte und somit in aller Regel deutlich höhere Entschädigung für Umsatznachteile zuzusprechen.

(ccc) Wortlaut von § 642 BGB
Die fehlende Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls ist auch mit dem Wortlaut von § 642 Abs. 2 BGB vereinbar.
Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls zu einer Ermittlung der Anspruchshöhe wie bei der großen Kündigungsvergütung (nach §§ 649 bzw. 648a Abs. 5 S. 2 BGB a.F., zu dieser Terminologie vgl. KG, Urteil vom 15, Juni 2018, 21 U 140/17; Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16) führt, mit der Besonderheit, dass nur die im Zeitraum des Annahmeverzugs bei Störungsfreiheit zu erwirtschaftende Vergütung betrachtet wird. Im obigen Beispiel 2 ermittelte sich so eine Entschädigung von 80 t €.

Ebenfalls zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Wortlaut von § 642 Abs. 2 BGB mit der Annahme einer solchen „zeitbezogenen großen Kündigungsvergütung” durchaus vereinbar ist. Eine solche Auslegung ist nach Meinung des Senats aber nicht zwingend. Gerade wegen der Verwendung der Wörter „einerseits… andererseits” kann § 642 Abs. 2 BGB auch so verstanden werden, dass hier lediglich die Parameter aufgezeigt werden, nach denen die Entschädigung des Unternehmers für vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel zu bemessen ist. Zudem richtet sich auch die nach Auffassung des Senats mit § 642 Abs. 2 BGB angesprochene Entschädigung für Vorhaltekosten nach der „vereinbarten Vergütung” mit der Konsequenz, dass der Unternehmer Zuschläge auf seine Vorhaltekosten erhält, wenn diese vor dem Hintergrund der vereinbarten Vergütungshöhe darstellbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Schließlich sind „Dauer des Annahmeverzugs”, „ersparte Aufwendungen” und „anderweitiger Erwerb des Unternehmers” auch für die Ermittlung annahmeverzugsbedingter Vorhaltekosten relevant (vgl. dazu unten II.3.a) bb) (5)).

(ddd) Zusammenfassung
Diese Überlegungen führen den Senat zu folgendem Ergebnis:
Der Annahmeverzugs des Werkbestellers führt beim Unternehmer im Regelfall nicht zwangsläufig zu einem Umsatzverlust, sondern nur zur Vorhaltekosten. Wegen des beträchtlichen Umfangs, den eine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall erreichte – sie beliefe sich auf die zeitbezogene große Kündigungsvergütung – wäre es deshalb nicht interessengerecht, den Unternehmer nach § 642 BGB pauschalierend für einen Nachteil zu entschädigen, der ihm in dieser Form möglicherweise gar nicht entstanden ist. Vielmehr ist es ausreichend, wenn er nur für die Kosten entschädigt wird, die ihm für tatsächlich vergeblich vorgehaltene Produktionsfaktoren entstanden sind.
Somit kann die Klage keinen Erfolg haben, soweit die Klägerin mit ihr die Entschädigung für zeitbezogene Umsatznachteile geltend macht.

(2) Endgültiger Umsatzverlust aus dem gestörten Vertrag
Im Einzelfall kann es auch dazu kommen, dass einem Unternehmer aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers der Umsatz aus dem gestörten Vertrag zumindest teilweise nicht nur vorübergehend, sondern endgültig entgeht, nämlich wenn er sich zu einer Vertragsbeendigung nach § 643 BGB mit der Vergütungsfolge des § 645 Abs. 1 BGB veranlasst sieht. Auch dann ist dieser Nachteil aber aus den Erwägungen unter (1) – möglicherweise auch aus weiteren Gesichtspunkten – ebenfalls nicht nach § 642 BGB ersatzfähig.

(3) Umsatzverlust aus einem anderen Vertrag
Beispiel 5: Wie Beispiel 1. U hätte in den Monaten M 5 bis M 7 den Auftrag A 2 annehmen und so einen Umsatz von 80 t € erwirtschaften können. Er musste aber A 2 ablehnen, weil er in M 5 bis M 7 die verschobenen Leistungen aus dem Vertrag A 1 nachholen musste.
In diesem Fall steht im Raum, dass U seine Entschädigung aus § 642 BGB mit dem endgültig und nicht nur zeitbezogen entgangenem Umsatz aus A 2 begründet. Dies kann aber schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieser Nachteil nach Wegfall des Annahmeverzugs entstanden und somit nicht nach § 642 BGB entschädigungsfähig ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17).
Die Klägerin hat ihre Klageforderung auch hilfsweise nicht mit einer solchen Begründung versehen.

(4) Zeitbezogene „AGK-Unterdeckung” bzw. Vorhalt des Gesamtunternehmens als Nachteil
Der Klägerin ist auch nicht in der Form ein Nachteil entstanden, dass sie während des Annahmeverzugs des Beklagten nicht die in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Deckungsbeiträge für ihre allgemeinen Geschäftskosten (im Folgenden: AGK-Deckungsbeitrag) erwirtschaften konnte, obgleich sie sich für die Leistungserbringung bereit gehalten hat.

Beispiel 6: Der Besteller befindet sich während des gesamten Zeitraums der geplanten Vertragsdurchführung von M 1 bis M 3 in Annahmeverzug. Die Vergütung von U lässt sich wie folgt aufschlüsseln:
Arbeitskräfte:40 t €Material:40 t €Geräteeinsatz:20 t €Kosten gesamt:100 t €Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten: 10 t €Gewinn:10 t €Vergütung gesamt:120 t €

U ist es in diesem Fall nicht möglich, während M 1 bis M 3 den AGK-Deckungsbeitrag von 10 t €, der in der Vergütung enthalten ist, zu erwirtschaften. Die Ersatzfähigkeit dieses Nachteils kann auf zwei Weisen begründet werden, nämlich indem man ihn entweder als Umsatz- oder als Kostenposition begreift.

(a) AGK-Deckungsbeitrag als Umsatzposition
Wird der AGK-Deckungsanteil als Umsatzposition angesehen, wäre er entschädigungsfähig, wenn der Umstand, dass der Unternehmer diesen Deckungsbeitrag während des Störungszeitraums M 1 bis M 3 nicht erwirtschaften konnte, einen entschädigungsfähigen Nachteil darstellt. Derartige zeitbezogene Umsatzausfälle sind aber aus den oben dargelegten Gründen (vgl. II.3.a) bb) (1)) nach Auffassung des Senats nicht nach § 642 BGB zu ersetzen. Dies gilt auch, wenn nicht der gesamte entgangene Umsatz, sondern nur ein Teilbetrag in Rede steht.

(b) AGK-Deckungsbeitrag als Kostenposition
Daneben erscheint es denkbar, den AGK-Deckungsbeitrag als Kostenposition aufzufassen: Der Unternehmer hat nach § 642 BGB Anspruch auf Entschädigung für die Kosten, die ihm durch den vergeblichen Vorhalt seiner Produktionsmittel im Annahmeverzug des Bestellers entstehen. Der AGK-Deckungsbeitrag könnte nun als Bewertung derjenigen Produktionsmittel des Unternehmers aufgefasst werden, die er in seinem allgemeinen Geschäftsbetrieb für den gestörten Vertrag vorgehalten hat und die ihm folglich zu entschädigen sind.

Auch diese Überlegung ist aber aus zwei Gründen nicht richtig: Nach Auffassung des Senats lässt sich nur bei Produktionsmitteln, deren Einsatz zu direkten Kosten der Bauleistung führt (also Einzelkosten der Teilleistungen und Baustellengemeinkosten) sinnvoll davon sprechen, dass sie für ein Bauvorhaben vorgehalten werden. Denn ein Produktionsmittel ist nur dann für einen Vertrag „vorgehalten”, wenn der Unternehmer es in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich hierfür bereithält, sodass es nicht für andere Verträge eingesetzt werden kann. Hingegen hält ein Unternehmer seinen darüber hinausgehenden allgemeinen Geschäftsbetrieb niemals nur für ein Projekt vor, selbst wenn er in einem Zeitraum – im Beispiel 6: M 1 bis M 3 – nur auf einen einzigen Vertrag Leistungen erbringen sollte. Wenn nicht ohnehin zeitlich parallele Verträge abgearbeitet werden, dient der allgemeine Geschäftsbetrieb eines Unternehmers immer auch dazu, dass frühere Aufträge abgerechnet und neue akquiriert werden und somit die Fortsetzung des Unternehmens sichergestellt ist. Damit fehlt es an einem Vorhalten des allgemeinen Geschäftsbetriebs in Bezug auf einen konkreten gestörten Vertrag.

Daneben spricht gegen die Entschädigungsfähigkeit des AGK-Deckungsbeitrags als Kostenposition, dass an seiner Höhe nicht abgelesen, also insbesondere nicht durch den Besteller überprüft werden kann, in welchem Umfang der Unternehmer Produktionsmittel seines allgemeinen Geschäftsbetriebs im Annahmeverzug des Bestellers vorgehalten hat. Da er zu dem Teil der Vergütung gehört, der nicht zur Deckung der direkten Kosten des Bauvorhabens benötigt wird, hängt seine Höhe keinesfalls nur von der Kostenstruktur des Unternehmers, sondern auch von der Verhandlungssituation bei Vertragsschluss ab, also davon, inwieweit es dem Unternehmer gelungen ist, eine Vergütung auszuhandeln, die den zur Deckung seiner tatsächlichen direkten Kosten benötigten Betrag übersteigt (vgl. Sienz, BauR 2014, 399).

Damit ist der zeitbezogene AGK-Deckungsbeitrag aus der Gesamtvergütung des Unternehmers kein nach § 642 BGB erstattungsfähiger Nachteil. Dies ist von dem Umstand zu unterscheiden, dass, wenn ein Unternehmer Produktionsmittel aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers vergeblich vorhält, bei der Ermittlung seiner Entschädigung nach § 642 BGB ein Zuschlag für Allgemeine Geschäftskosten und Gewinn vorzunehmen ist, sofern ein solcher in der vereinbarten Vergütung darstellbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16).
Beispiel 7: Im obigen Beispiel 6 belaufen sich die direkten Kosten des Unternehmers auf 100 t €, die Vergütung auf 120 t €, sodass sich bezogen auf die Kosten ein Zuschlagsfaktor von 1,2 ergibt (vgl. hierzu KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17). Im Annahmeverzug von B hält U vergeblich diverse Maschinen auf der Baustelle vor, wodurch ihm Vorhaltekosten von 5 t € entstehen.

Wegen des Vorhalts der Maschinen steht U eine Entschädigung nach § 642 BGB zu. Diese beläuft sich auf 5 t € x 1,2 = 6 t € BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Der Unternehmer erhält also auf seine Vorhaltekosten einen Zuschlag von absolut 1.000,- €. Da sich der Unternehmerzuschlag im Beispiel je zur Hälfte auf Gewinn und AGK-Deckung aufteilt, wäre er also in Höhe von 500,- €, als AGK-Deckungsbeitrag „deklariert”. Dieser AGK-Deckungsbeitrag resultiert aber nur aus dem Umstand, dass sich die Entschädigung des Unternehmers für vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel nach der Höhe der vereinbarten Vergütung richtet und darin enthaltene Zuschläge folglich fortzuschreiben sind (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Dies ist eine Folge der Vergütungsähnlichkeit des Anspruchs aus § 642 BGB. Der AGK-Zuschlag ist im Anspruch aus § 642 BGB nur „akzessorisch” als Zuschlag auf einen entschädigungsfähigen Nachteil enthalten. Demgegenüber ist der vergeblich vorgehaltene allgemeine Geschäftsbetrieb insgesamt bzw. ein Umsatzanteil in Höhe des vollen zeitbezogenen AGK-Deckungsbeitrags nicht selbst als Nachteil entschädigungsfähig.

Das Beispiel 7 zeigt die Auswirkung dieser Unterscheidung: Wäre der AGK-Deckungsbeitrag als solcher entschädigungsfähig, so ist die Bemessungsgrundlage zu seiner Berechnung die im Störungszeitraum insgesamt nicht erwirtschaftete Vergütung bzw. die hypothetisch insgesamt angefallenen Kosten. Im Beispiel 6 (Störungszeitraum M 1 bis M 3) ergäbe sich so eine „AGK-Entschädigung” von 10.000,- €. Ist der AGK-Deckungsbeitrag hingegen nur im Zuge der Preisfortschreibung als Teil des Zuschlags auf die zu entschädigenden Vorhaltekosten anzusetzen, sind nur diese Vorhaltekosten, also ein geringerer Betrag die Bemessungsgrundlage. Im Beispiel 7 ermittelt sich deshalb nur eine „AGK-Entschädigung” von 500,- €.

Ein Nebeneffekt dieses Befundes ist, dass sowohl bei der Preisfortschreibung nach § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B (hierzu vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17) als auch bei der Ermittlung der Entschädigung nach § 642 BGB zwischen AGK-Deckungsbeitrag und Gewinn generell nicht unterschieden werden muss. Zur Ermittlung des in der Vergütung enthaltenen Zuschlags müssen lediglich diejenigen Preisbestandteile isoliert werden, die zur Deckung der tatsächlichen direkten Kosten des Vertrages erforderlich sind. Der Rest ist Zuschlag (in den Beispielen 6 und 7 in Höhe von 20 t €). Inwieweit dieser Zuschlag als AGK-Deckungsbeitrag und / oder Gewinn bezeichnet wird, ist unerheblich.

(5) Vorhalt von Arbeitskräften als Nachteil
Der Klageanspruch kann nicht – auch nicht teilweise – darauf gestützt werden, dass die Klägerin während des Annahmeverzugs des Beklagten vergeblich Arbeitskräfte vorgehalten hätte. Zwar macht die Klägerin dies hilfsweise mit ihrer Klage geltend, aus ihrem Vortrag ergibt sich aber nicht, dass ihr ein solcher Nachteil tatsächlich entstanden ist.

(a) Wann sind Arbeitskräfte vorgehalten?
Hält ein Unternehmer im Annahmeverzug des Bestellers vergeblich Produktionsmittel vor, so steht ihm für diesen Nachteil eine Entschädigung nach § 642 BGB zu (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17 m.w.N.). Allerdings sind Produktionsmittel nur dann für einen Vertrag vorgehalten, wenn der Unternehmer sie in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich für diesen bereithält, sodass sie in Folge des Annahmeverzugs brachliegen. Kann der Unternehmer hingegen die Produktionsmittel, die er für einen Auftrag A 1 benötigt, bei dem der Besteller in Mitwirkungsverzug gerät, für einen anderen Auftrag A 2 einsetzen, sind sie grundsätzlich nicht für A 1 vorgehalten (vgl. zum Vorhalt des allgemeinen Geschäftsbetriebs des Unternehmers insgesamt oben II.3.a) bb)(4)(b)).

Es kann durchaus dazu kommen, dass ein Unternehmer seine Arbeitskräfte im Mitwirkungsverzug des Bestellers für diesen vorhält. Allerdings ist der Vorhalt von Arbeitskräften naturgemäß schwieriger darzulegen als der Vorhalt von Geräten oder der Baustelleneinrichtung. Wenn Geräte oder die Baustelleneinrichtung im Annahmeverzug nutzlos vorgehalten werden, dann ist das typischerweise auf der Baustelle offen zu erkennen, indem sie dort ungenutzt vorhanden sind. Arbeitskräfte sind demgegenüber mobiler als zum Beispiel eine aufwändig errichtete Baustelleneinrichtung, ein Gerüst oder ein Kran und können vom Unternehmer deshalb auch leichter von einer Baustelle abgezogen werden. Kann der Unternehmer sie nicht anderweitig einsetzen, sind sie weiter für den Besteller vorgehalten. Kann der Unternehmer sie aber auf einer anderen Baustelle einsetzen, endet aber der Vorhalt und somit der zu entschädigende Nachteil, ohne dass dies für den Besteller erkennbar wäre.

Die Problematik des annahmeverzugsbedingten Vorhalts von Arbeitskräften lässt sich durch die folgenden typisierenden Beispielsfälle näher erläutern:
Beispiel 8: B 1 hat den Unternehmer U mit dem Vertrag A 1 mit Bauleistungen beauftragt. U soll ab dem 1. Juni mit den Arbeiten beginnen. Parallel ist U von den Bestellern B 2 bis B 10 mit den weiteren Aufträgen A 2 bis A 10 beauftragt, deren Abarbeitung U aber erst im Anschluss an A 1 eingetaktet hat. Als U am 1. Juni mit seinen Mitarbeitern auf der Baustelle A 1 erscheint, teilt B 1 ihm mit, er könne heute wegen des Verzugs eines Vorgewerks noch nicht anfangen, solle sich aber bereithalten und am Folgetag mit den Arbeiten beginnen. U erscheint sodann am 2. Juni wieder mit seinen Arbeitskräften. B vertröstet ihn erneut auf den Folgetag. So geht es jeden Arbeitstag bis zum 1. Juli, dann kann U mit den Arbeiten beginnen.

Hier befindet sich B 1 den gesamten Juni hindurch in Annahmeverzug. Da U gezwungen war, sich währenddessen durchgängig bereit zu halten, hat er seine für A 1 benötigten Arbeitskräfte im Zweifel durchgängig für B 1 bereitgehalten, sodass dieser ihn hierfür gemäß § 642 BGB entschädigen muss.
Beispiel 9: Wie Beispiel 8. Allerdings teilt B 1 dem U bereits am 1. Juni mit, dass er wegen des Verzugs des Vorgewerks erst in einem Monat mit den Arbeiten beginnen könne. U und seine Arbeiter verlassen die Baustelle. U gelingt es nicht, durch Absprache mit den B 2 bis B 10 seine Leistungen für die Verträge A 2 bis A 10 in den Juni vorzuziehen. U kann seine Mitarbeiter im Juni deshalb nicht anderweitig einsetzen.

In diesem Fall verhält es sich genauso wie im Beispiel 8. Zwar hat B 1 den U nicht von Tag zu Tag hingehalten, sondern zu Beginn des Annahmeverzugs dessen Dauer klar mitgeteilt. Da U die Taktung seiner Aufträge aber nicht mehr anpassen konnte, war er dennoch gezwungen, seine für A 1 benötigten Arbeitskräfte im Juni durchgängig für B 1 vorzuhalten, was dieser nach § 642 BGB zu entschädigen hat.

Beispiel 10: Wie Beispiel 8. B 1 verschiebt Us Einsatz bereits am 1. Juni auf den Folgemonat. Allerdings gelingt es U, nach Absprache mit B 2 ab dem 4. Juni mit den Arbeiten aus dem Vertrag A 2 zu beginnen. U kann seine Arbeiter deshalb vom 4. bis zum 30. Juni auf der Baustelle von A 2 einsetzen.
Hier ist es anders: Von dem Tag an, an dem U seine für A 1 benötigten Mitarbeiter für A 2 einsetzen kann, hält er sie nicht mehr für A 1 vor. Vergeblich vorgehalten waren sie nur in der Umschaltphase also bis einschließlich zum 3. Juni. U kann von B 1 deshalb nur für diese drei Tage eine Entschädigung beanspruchen.

Beispiel 11: Wie Beispiel 8. U hat insgesamt zwölf Arbeitskräfte. Er hatte von vornherein geplant, im Juni die Aufträge A 1 und A 2 parallel abzuarbeiten und hatte dort jeweils sechs Arbeitskräfte eingeplant. Nachdem B 1 in Mitwirkungsverzug gerät, setzt U die für A 1 eingeplanten sechs Arbeitskräfte im Juni ebenfalls für A 2 ein, sodass diese Baustelle nun durchgängig mit zwölf Personen besetzt ist. Da die Baustelle von A 2 nicht ausreichend groß ist, ist die Produktivität einer einzelnen Arbeitskraft dort jetzt geringer, als wenn die 12 Personen nebeneinander auf A 1 und A 2 eingesetzt wären.
Der Senat meint, dass dieser Fall wie das Beispiel 10 zu lösen ist. Ein Produktionsmittel ist nur dann im Sinne von § 642 BGB bzw. der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17) „vorgehalten”, wenn der Unternehmer es ausschließlich für einen bestimmten Auftrag bereithält, sodass er anderweitige Umsatzmöglichkeiten verliert. Das ist im Beispiel 11 von dem Tag an nicht mehr der Fall, in dem U die für A 1 benötigten Arbeitskräfte für A 2 einsetzt. Die geringere Produktivität im Einsatz für A 2 aufgrund der dort nun zu hohen Mitarbeiterzahl ändert nichts daran, dass die „Vorhaltebeziehung” der sechs Arbeitskräfte zu A 1 gelöst ist. Natürlich ist es einem Unternehmer zuzubilligen, dass er den Mitwirkungsverzug eines Bestellers dazu nutzt, auf einer anderen Baustelle die Leistungsgeschwindigkeit zu erhöhen, aber dies geschieht eben um den Preis der Entschädigung für den Vorhalt der umgesetzten Arbeitnehmer. Diese beiden Effekte muss der Unternehmer miteinander abwägen. Würde im Beispiel 11 die Baustelle A 2 nur noch zwei zusätzliche Arbeitskräfte ohne Produktivitätsabfall vertragen, während es für weitere zusätzliche Kräfte „nicht mehr genug zu tun gibt”, dann sollte der Unternehmer nur zwei von A 1 umsetzen und die restlichen vier weiter für B 1 vorhalten, um – wie im Beispiel 9 – hierfür entschädigt werden zu können.

(b) Unternehmer muss das Fehlen von anderweitigem Erwerb darlegen und beweisen

Diese Beispiele zeigen:
Der Mitwirkungsverzug des Bestellers führt nicht automatisch dazu, dass der Unternehmer seine Arbeitskräfte in der gesamten Dauer dieses Verzugs vergeblich vorhält. Dies kann so sein (Beispiele 8 und 9), stattdessen ist es aber auch möglich, dass der Unternehmer die Arbeitskräfte nur für die Dauer der notwendigen Umschaltphase bereithält oder dass er nur einige seiner Arbeitskräfte vorhalten muss, während andere umgesetzt werden können. Da es der Unternehmer ist, der eine Entschädigung aus § 642 BGB beansprucht, hat er im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang er in Folge des Mitwirkungsverzugs des Bestellers seine Arbeitskräfte vergeblich vorgehalten hat. Da eine Arbeitskraft nur dann für einen Auftrag vorgehalten ist, wenn der Unternehmer nicht durch anderweitigen Einsatz mit ihr Umsatz erzielt, gehört zur Darlegung des Vorhalts einer Arbeitskraft, dass der Unternehmer im fraglichen Zeitraum mit ihr keinen anderweitigen Erwerb erzielen konnte. Während der anderweitige Erwerb bei den Ansprüchen eines Leistungserbringers aus § 611, 615 oder aus § 649 BGB a.F. nicht zur Anspruchsbegründung gehört, sondern eine Einwendung des Leistungsempfängers darstellt (mit der prozessualen Erleichterung des § 138 Abs. 4 ZPO), ist sein Fehlen im Rahmen von § 642 BGB also eine anspruchsbegründende Voraussetzung. Dies ergibt sich aus der dargelegten Systematik und der Bedeutung des zentralen Begriffs der Vorhaltekosten. Im Übrigen ist diese Ansicht auch keineswegs unbillig, denn es ist der Unternehmer, der am besten in der Lage ist, zu dem anderweitigen Erwerb für seine Produktionsmittel vorzutragen.

Eine besonders aufwändige Darlegung ist dazu nicht erforderlich. Vielmehr genügt eine tabellarische Aufstellung über die einzelnen Mitarbeiter des Unternehmers und die Zeiträume, in denen es aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers für sie keine Einsatzmöglichkeit gab (wobei ein Unternehmer bei einem längeren Mitwirkungsverzug keinen Anlass zum zeitlich unbegrenzten Vorhalt seiner Produktionsmittel hat, vgl. KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16, Rz. 131 f).

Diese Sichtweise deckt sich mit den Ausführungen des Senats im Urteil vom 10. Januar 2017 (21 U 14/16, Rz. 86). Dort hat der Senat ausgeführt, dass für die Begründung eines Anspruchs aus § 642 BGB nicht immer eine „bauablaufbezogene Darstellung” erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr, auf was für einen entschädigungsfähigen Nachteil der Unternehmer seinen Anspruch aus § 642 BGB stützt, dadurch werden die Anforderungen an die Darlegung des Anspruchs vorgegeben. Wenn der Nachteil im vergeblichen Vorhalt von Arbeitskräften liegen soll, dann muss der Unternehmer also diesen vergeblichen Vorhalt darlegen. Dazu gehört, dass er die betroffenen Arbeitskräfte nicht anderweitig einsetzen konnte, weil sie nur dann für den in seinem Ablauf gestörten Vertrag bereit gehalten sind.

(c) Keine Darlegung des Vorhalts von Arbeitskräften durch die Klägerin
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, ob und in welchem Umfang sie infolge des Mitwirkungsverzugs des Beklagten beim Gebäude SCH zum vergeblichen Vorhalt von Arbeitskräften gezwungen war. Der Senat muss den Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018 hierbei eigentlich nicht berücksichtigen, denn er hatte sie bereits mit Schreiben vom 4. Oktober 2018, also zwei Monate vor dem Termin darauf hingewiesen, dass ihr die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende alternative Einsatzmöglichkeit ihrer Produktionsmittel zufallen und sie bislang keinen ausreichenden Vortrag geliefert haben könnte. Nachdem dies auch im Termin noch nicht geschehen war, musste der Klägerin kein weiterer Schriftsatznachlass gewährt werden, um nochmals zu dieser Thematik vortragen zu können.

Allerdings kann dies letztlich dahinstehen. Denn auch dem Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018 kann nicht klar entnommen werden, welche ihrer Arbeitskräfte sie im Zeitraum zwischen dem 21. November 2016 und dem 2. Mai 2017 vergeblich für das Bauvorhaben des Beklagten vorgehalten haben will. Dazu müsste sie mitteilen, welche Arbeitskräfte sie in der vorgesehenen Zeit ab dem 21. November 2016 auf der Baustelle für das Gebäude SCH eingeplant hätte und welche sie infolge der fehlenden Baufreiheit sodann nicht anderweitig einsetzen konnte und also vergeblich bereitgehalten hat.
Das ist nicht geschehen. Vielmehr behauptet die Klägerin nur abstrakt, ihre Arbeitskräfte für den Beklagten vorgehalten zu haben (vgl. z.B. Schriftsatz vom 21. Juni 2018, S. 6), es fehlt aber an einer Darlegung, aus der Einsatz und Beschäftigungslosigkeit ihrer Mitarbeiter im betreffenden Zeitraum hervorgeht.
Vielmehr ergibt sich umgekehrt bereits aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, dass ihre Behauptung eines durchgängigen Vorhalts ihrer Arbeitskräfte während der Ausführungsfristen für das Gebäude SCH unzutreffend ist. Sie trägt selbst vor, ihre hierfür bestimmten Arbeitskräfte während des Annahmeverzugs des Beklagten, in folgender Weise anderweitig beschäftigt zu haben:

Im Gebäude ELZ (vgl. Klageschrift S. 4, Berufungsbegründung S. 3 f), bei dem die im streitgegenständlichen Vertragsformular vorgesehenen Ausführungsfristen hinfällig geworden waren (vgl. oben II.2.a)bb)),

auf dem Bauvorhaben M… Straße 7 (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 7 und 9),

auf dem Bauvorhaben L… straße 44 (Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 8) sowie

auf dem Bauvorhaben B… Straße 3 (Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 11).
Dass es neben diesen anderweitigen Einsatzmöglichkeiten auch „Leerlauf” für die Arbeitskräfte der Klägerin gegeben haben dürfte, ist als abstrakter Befund unerheblich. Die Klägerin muss den konkreten Umfang dieses „Leerlaufs” bzw. des fehlenden anderweitigen Erwerbs bezogen auf die jeweiligen Arbeitskräfte vorzutragen, denn exakt darin liegt der Vorhalt von Produktionsmitteln, für den sie Entschädigung begehrt. Die Ungewissheit über den genauen Umfang muss sich folglich zu Lasten der Klägerin auswirken. Auf den Vortrag des Beklagten, wonach die Klägerin ihre Arbeitskräfte neben den genannten Baustellen auch noch auf weiteren eingesetzt haben soll (Schriftsatz des Beklagten vom 30. November 2018), kommt es deshalb nicht mehr an. Ebensowenig kommt eine Beweisaufnahme in Betracht, wobei allerdings das von der Klägerin angebotene Sachverständigengutachten (Schriftsatz vom 20. Dezember 2018, S. 5) kein geeignetes Beweismittel wäre. Wenn die Klägerin ihre Arbeitskräfte vergeblich vorgehalten haben will, diese also aufgrund einer Störung keine Beschäftigung hatten, dann müssen hierfür Zeugen benannt werden, die diese Beschäftigungslosigkeit bestätigen können, wofür insbesondere die betroffenen Mitarbeiter selbst in Betracht kommen.

b) Verlangsamte Bautätigkeit im Gebäude SCH nach dem 2. Mai 2017
Auch insoweit steht der Klägerin kein Anspruch gegen den Beklagten aus § 642 BGB zu. Zwar war die Bautätigkeit der Klägerin in diesem Bereich offensichtlich verlangsamt, da ihre Arbeiten zum Zeitpunkt des Termins vor dem Senat noch nicht abgeschlossen waren und also bereits jetzt deutlich länger dauerten als mit den vertraglichen Ausführungsfristen vorgesehen. Die Klägerin hat mit ihrer Klage aber keine Störungen aus dem Zeitraum nach dem 2. Mai 2017 geltend gemacht und weder dargelegt, inwieweit diese Verlangsamung auf den Mitwirkungsverzug des Beklagten zurückgeht noch wie ihr dadurch entschädigungsfähige Nachteile entstanden sein könnten.

II. Kein Anspruch aus § 304 BGB
Der Klageanspruch ergibt sich hinsichtlich aller drei Gebäude auch nicht aus § 304 BGB.
Gerät eine Vertragspartei in Annahmeverzug kann die Gegenseite nach dieser Norm Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die sie für das erfolglose Angebot der Leistung und für Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste. Diese Vorschrift hat allerdings einen recht engen Anwendungsbereich (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 31, Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 152) und regelt im Wesentlichen den Ersatz für Lager- und Sicherungskosten, nicht aber die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorhaltekosten, geschweige denn, dass sich aus ihr ein Ersatz für annahmeverzugsbedingte Umsatzverluste herleiten ließe.

III. Kein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B
Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B

1. Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B
Allerdings hat der Beklagte die Leistung der Klägerin im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B geändert.

a) Vereinbarung der VOB/B
Die Parteien haben die Geltung der VOB/B für den streitgegenständlichen Bauvertrag vereinbart.

b) Verzugsmitteilung des Beklagten
Es kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Beklagte ihr mitgeteilt hat, sie könne die Arbeiten im Gebäude SCH nicht innerhalb der vereinbarten Vertragsfrist ab dem 21. November 2016, sondern erst später ausführen. Selbst wenn sich eine solche „Verzugsmitteilung” nicht eindeutig aus dem Parteivorbringen ergeben sollte, ist diese Annahme jedenfalls naheliegend.

c) Verzugsmitteilung ist in der Regel Leistungsänderung
Teilt der Besteller eines VOB/B-Vertrags dem Unternehmer mit, er könne nicht wie vorgesehen, sondern erst zu einer späteren Zeit auf der Baustelle arbeiten, liegt in dieser Verzugsmitteilung, mit der der Besteller dem Unternehmer seinen Mitwirkungsverzug anzeigt, in aller Regel eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B.

Soweit dem Senat bekannt hat sich der BGH zu dieser Rechtsfrage noch nicht klar positioniert. Zuletzt hat er angemerkt, allein die Störung des Vertrags wegen der Verzögerung der Bauausführung könne nicht als Anordnung einer Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B gewertet werden (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 40). Dies mag als Andeutung verstanden werden, dass der BGH auch die Verzugsmitteilung nicht als Leistungsänderung verstanden wissen will. Andererseits hat auch der BGH einem Unternehmer bei einer verzögerten Vergabeentscheidung einen Mehrvergütungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 5 VOB/B zugesprochen, was wiederum belegt, dass nach seiner Rechtsprechung verzögerungsbedingte Nachteile des Unternehmers jedenfalls im Grundsatz nach § 2 Abs. 5 VOB/B vergütungsfähig sind.

Im Übrigen ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings anerkannt, dass die Verzugsmitteilung eines Bestellers an den Unternehmer eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B sein kann (vgl. KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16; OLG München, Urteil vom 27. April 2016, 28 U 4738/13; OLG Dresden, Urteil vom 9. Januar 2013, 1 U 1554/09; OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2011, 24 U 29/09; OLG Celle, Urteil vom 22. Juli 2009, 14 U 166/08; Kniffka/Koeble, Kompendium, 5. Teil Rn. 112; Keldungs in: Ingenstau/Korbion, VOB, §1 Abs. 3 VOB/B, Rdn. 7; a.A. z.B. Markus in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Auflage, § 6 VOB/B, Rz. 59).

Diese Ansicht ist auch überzeugend. Zwar ist ein Bauvertrag kein Fixgeschäft, das Interesse des Bestellers an einer Bauleistung steht und fällt also nicht mit dem Zeitpunkt der Bauleistung, auch wenn der Faktor Zeit für beide Parteien eines Bauvertrags von großer Bedeutung ist. Dieser Umstand spricht dafür, „Leistungsänderungen” des Bauvertrags nur auf das inhaltliche Bausoll zu beziehen, also auf die vom Unternehmer zu erbringenden Leistungen, nicht hingegen den Zeitpunkt der Leistung. Auf der anderen Seite sind inhaltliche und zeitliche Anordnungen im Baugeschehen häufig nicht klar zu unterscheiden. So kann etwa die Änderung einer vorgesehenen Herstellungsweise den am Ende geschuldeten Werkerfolg unberührt lassen und sich im Wesentlichen auf die Wirkung beschränken, dass der Unternehmer arbeitsintensiver vorgehen muss, also mehr Zeit aufwenden muss. Auch der Wortlaut von § 2 Abs. 5 VOB/B lässt Raum, Störungsmitteilungen als Leistungsänderung zu verstehen, denn er erwähnt neben der „Änderung des Bauentwurfs” explizit auch „andere Anordnungen” des Auftraggebers, die solche Modifikationen, die über das inhaltliche Bausoll hinausgehen, ohne Weiteres erfassen können.

aa) Verzugsmitteilung als Leistungsänderung erweitert die Rechte des Unternehmers
Insbesondere ist zu beachten: Wenn eine Störungsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer zugleich eine Leistungsänderung des Bestellers ist, dann führt dieser Befund nicht zu einer Ausweitung der Befugnisse des Bestellers, sondern umgekehrt zu einer Ausweitung der Rechte des Unternehmers. Dass der Unternehmer nicht wie vorgesehen bauen kann, steht aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers ohnehin schon fest, die verbindliche Anordnungswirkung einer Leistungsänderung ist insoweit ohne Bedeutung. Sie hat aber die Konsequenz, dass der Unternehmer nun auch den Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B geltend machen kann, der über denjenigen aus § 642 BGB hinausgeht (vgl. dazu unten III.1. d)).

bb) Auch konkludente Leistungsänderung ist möglich
Unerheblich ist, dass der Besteller seiner Anzeige des Mitwirkungsverzugs gegenüber dem Unternehmer möglicherweise nicht die Wirkung einer rechtsverbindlichen Anordnung beimessen möchte. Denn ob eine Anordnung vorliegt oder nicht, richtet sich danach, ob der Unternehmer das ihm abverlangte Tun oder Unterlassen nach dem Bauvertrag in die vereinbarte Vergütung einkalkulieren musste (vgl. z.B. Keldungs in: Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Auflage, 2017, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rz. 21 m.w.N.). Beim Mitwirkungsverzug des Bestellers ist dies gerade nicht der Fall, deshalb kann die Mitteilung des Bestellers hierüber eine Leistungsänderung sein. Auf die genaue Wortwahl des Bestellers kommt es für das Vorliegen einer Anordnung hingegen nicht an. Eine Anordnung kann auch lediglich konkludent getroffen werden, wenn der Besteller vom Unternehmer eine Leistung oder eben einen Aufschub verlangt, den dieser nicht einkalkulieren musste. Andernfalls hätte es der Besteller in der Hand, durch Wortklauberei und taktisches Formulieren bestimmte Rechtsfolgen zu verhindern. Maßgeblich muss deshalb eine objektive Auslegung sein: Teilt der Besteller dem Unternehmer ein Erschwernis mit, dass dieser nicht einpreisen musste nun aber – mangels Baufreiheit – zwangsläufig hinnehmen muss, dann stellt sich diese Störungsmitteilung als Leistungsänderung dar.
Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob die Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer als „Änderung des Bauentwurfs” im Sinne von § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 5 VOB/B oder als „andere Anordnung” gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen ist. Der Senat neigt eher dazu, die Verzugsmitteilung als „andere Anordnung” anzusehen, entscheidend ist aber allein, dass die Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B erfüllt ist. Das ist in jedem der beiden Fälle gegeben.

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird ferner angemerkt: Aus der Ansicht, wonach die Verzugsmitteilung des Bestellers eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist, folgt keineswegs, dass der Besteller aus § 1 Abs. 3 oder § 2 Abs. 5 VOB/B auch berechtigt wäre, gegenüber dem Unternehmer Beschleunigungsmaßnahmen anzuordnen. Eine solche Anordnung hat ein größeres eigenständiges Gewicht als die Mitteilung einer vom Unternehmer ohnehin zu duldenden Störung. Mit ihr verlangt der Besteller vom Unternehmer darüber hinaus das Ergreifen zusätzlicher Maßnahmen. Ob der Besteller dazu berechtigt ist, muss im vorliegenden Fall nicht geklärt werden.

d) Gilt insbesondere, wenn VOB/B vom Besteller gestellt
Nach Auffassung des Senats liegt in der Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer jedenfalls dann eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn die VOB/B aufgrund einer vom Besteller vorformulierten Klausel in den Vertrag einbezogen sind. In diesem Fall sind die VOB/B vom Besteller gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Bestellers zu lösen sind (§ 305c Abs. 2 BGB). Nach dem Wortlaut von § 310 Abs. 1 S. 3 BGB gilt dies auch dann, wenn die VOB/B ohne Modifikation insgesamt in den Vertrag einbezogen sind.
Unter dieser Voraussetzung, die im vorliegenden Fall erfüllt ist, gilt weiter:

Es ist zumindest möglich, § 2 Abs. 5 VOB/B dahin auszulegen, dass auch eine Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer eine Leistungsänderung im Sinne dieser Norm ist. Dafür sprechen die soeben ausgeführten Argumente und der Umstand, dass zahlreiche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur genau diese Auffassung vertreten (vgl. III.1.c) m.w.N.). Für den Unternehmer ist diese Auffassung vorteilhaft gegenüber der Ansicht, nach der eine Verzugsmitteilung keinen Fall von § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Ist eine Verzugsmitteilung eine Leistungsänderung, so folgt daraus, dass dem Unternehmer beim Mitwirkungsverzug des Bestellers nicht nur der Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB zusteht, sondern auch der Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Beide Anspruchsgrundlagen kommen zum selben Ergebnis, soweit der Unternehmer annahmeverzugsbedingte Vorhaltekosten geltend macht. Hier steht ihm sowohl nach § 642 BGB als auch nach § 2 Abs. 5 VOB/B ein Anspruch zu, dessen Höhe nach Auffassung des Senats auf dieselbe Weise zu ermitteln ist (nämlich Preisfortschreibung anhand tatsächlicher Mehrkosten, vgl. zu § 642 BGB: KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 10/16; Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16; zu § 2 Abs. 5 VOB/B: KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17). Ebenso ist die Rechtslage nach beiden Anspruchsgrundlagen dieselbe, soweit sich der Unternehmer auf verzugsbedingte Umsatzverluste beruft. Diese sind nach § 642 BGB nicht entschädigungsfähig (vgl. oben II. 3.a) bb) (1)), nach § 2 Abs. 5 VOB/B aber ebensowenig, denn in einem Umsatzverlust liegen keine „Mehrkosten” im Sinne dieser Norm.

Die spezifische Differenz zwischen beiden Anspruchsgrundlagen liegt aber in der Behandlung von annahmeverzugsbedingten Mehrkosten, die keine Vorhaltekosten sind, sondern zum Beispiel Kostensteigerungen:

Beispiel 12: Der Besteller B hat den Unternehmer U mit Ausbauleistungen in einem zu errichtenden Gebäude beauftragt. Wegen der Insolvenz des Rohbauers ist die Baustelle nicht zur vertraglich vorgesehenen Ausführungsfrist baufrei, sondern erst 20 Monate später. Durch die verzögerte Ausführung der Leistung entstehen U Mehrkosten, da die Löhne seiner Mitarbeiter und die Preise des von ihm zu beschaffenden und einzubauenden Materials mittlerweile höher sind.
Diese Mehrkosten sind nicht nach § 642 BGB entschädigungsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17), durchaus aber nach § 2 Abs. 5 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009, VII ZR 152/08, Rz. 42). Denn anders als § 642 BGB lässt sich § 2 Abs. 5 VOB/B keine Beschränkung auf die Vergütungsfähigkeit von Vorhaltekosten entnehmen. Da die Mehrkosten im Beispiel 12 dem Unternehmer aufgrund des Mitwirkungsverzugs bzw. seiner vom Unternehmer zu befolgenden Verzugsmitteilung entstanden sind, muss dem Unternehmer folglich eine entsprechende Mehrvergütung aus § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen.

Auf der anderen Seite entstehen dem Unternehmer keine Nachteile durch die Auffassung, eine Verzugsmitteilung sei eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Insbesondere folgt aus dieser Ansicht nicht, dass der Besteller dann gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B auch zu Beschleunigungsanordnungen berechtigt sein muss (vgl. oben III.1.c)bb)), was in der Tat nachteilig für einen Unternehmer sein könnte (nicht: muss).

Aus dem Gesagten folgt:
Eine Verzugsmitteilung muss gemäß § 305c Abs. 2 BGB insbesondere dann eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B sein, wenn die VOB/B dem Unternehmer vom Besteller als allgemeine Geschäftsbedingungen gestellt worden sind.

e) Leistungsänderung ist hier gegeben
Der Beklagte hat also die Leistung der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B geändert, indem er ihr – vom Senat als naheliegend zugunsten der Klägerin unterstellt – mitgeteilt hat, die beauftragten Arbeiten im Gebäude SCH erst am 2. Mai 2017 beginnen zu können und nicht, wie vertraglich vorgesehen, bereits am 21. November 2016.

f) Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B steht neben demjenigen aus § 642 BGB
Es stellt keinen Widerspruch dar, wenn der Senat trotz dieses Befundes einen Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB geprüft hat (oben II.). Befindet sich der Besteller aufgrund einer Störung des Bauablaufs in Mitwirkungsverzug und teilt er dem Unternehmer zugleich mit, nur nach Maßgabe dieser Störung seine Leistung erbringen zu können, dann bestehen beim Unternehmer der Anspruch aus § 642 BGB und der Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B nebeneinander, sofern deren sonstige Voraussetzungen erfüllt sind. Dies folgt aus dem zivilrechtlichen Grundsatz der Anspruchskonkurrenz. Der Umstand, dass der Besteller durch seine Verzugsmitteilung an den Unternehmer dessen Leistung geändert hat, führt nicht dazu, dass der Mitwirkungsverzug des Bestellers entfiele.
Sieht ein Bauvertrag ein Recht des Bestellers zur einseitigen Leistungsänderung vor, dann ist dies kein Recht zur einseitigen Vertragsänderung. Ein Leistungsänderungsrecht wirkt nur punktuell: Der Besteller wird lediglich ermächtigt, die im Vertrag ursprünglich vorgesehene Leistung des Unternehmers in bestimmten Grenzen zu ändern, nicht aber darüber hinaus auch die sonstigen Regelungen des Vertrages. Der Besteller kann also anordnen, dass der Unternehmer statt der Leistung A die Leistung B zu erbringen hat. Er ist aber nicht befugt, einseitig den Preis der Leistung A abzuändern, einseitig einen Preis für die Leistung B vorzugeben oder sonst die Parameter der Preisermittlung zu ändern. Vielmehr bleiben die Vereinbarungen der Parteien über die Vergütung unverändert. Nur so kann die Vergütung für die neue Leistung auf Grundlage des geschlossenen Vertrages fortgeschrieben werden. Auch sonstige vertragliche Regelungen kann der Besteller aufgrund seines Leistungsänderungsrechts nicht mit rechtsverbindlicher Wirkung einseitig ändern. So kann er beispielsweise nicht einseitig eine vereinbarte Mängelhaftungszeit von 4 Jahren in 5 Jahre abändern, die Ausführungsfristen verkürzen oder die Regelung einer Vertragsstrafe nachträglich modifizieren. Wenn sich bei einem Pauschalvertrag ergibt, dass eine bestimmte vom Besteller verlangte Leistung nicht von der Leistungsbeschreibung erfasst ist, sodass der Unternehmer zu einem Nachtrag berechtigt ist, dann kann der Besteller den Vertrag nicht einseitig in der Form ändern, dass die betreffende Leistung nunmehr doch vom Leistungssoll erfasst ist und der Unternehmer sie also ohne Anspruch auf Mehrvergütung ausführen kann. Wenn und soweit der Besteller die Planungsverantwortung trägt, sodass er auch eine eventuelle Nachtragsleistung zu planen hat, kann er diese Aufteilung der Planungsverantwortung nicht durch eine Leistungsänderung einseitig zu Lasten des Unternehmers ändern. Und wenn ein Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 8 ein Leistungsänderungsrecht für den Besteller vorsieht (etwa gemäß §§ 650q Abs. 1, 650b Abs. 2 BGB n.F.)., kann der Besteller nicht nachträglich die Leistung dahin ändern, dass der Architekt zusätzlich auch die Leistungsphase 9 zu erbringen hat.
Dies zeigt: Mit einem Leistungsänderungsrecht kann nur die Leistung des Unternehmers geändert werden, deren Preis sodann auf Grundlage des im Übrigen ungeänderten Vertrags zu bestimmen ist. Die sonstigen vertraglichen Regelungen werden durch ein Leistungsänderungsrecht nicht für den Besteller disponibel.

Daraus folgt: Begründet die Störung der Bauarbeiten den Mitwirkungsverzug des Bestellers (weil der Unternehmer die Störung nicht einkalkulieren musste), dann kann der Besteller diesen Mitwirkungsverzug und seine finanziellen Folgen nicht dadurch beseitigen, dass er gegenüber dem Unternehmer die Anordnung trifft, nach Maßgabe dieser Störung arbeiten zu müssen. Vielmehr gilt: Die Mitwirkungsschnittstelle zwischen den Parteien eines Bauvertrags wird durch eine Leistungsänderung nicht geändert. Deshalb bleibt bei einer Leistungsänderung in Form einer Verzugsmitteilung des Bestellers der Mitwirkungsverzug als solcher bestehen, allerdings tritt neben den Anspruch aus § 642 BGB ein weiterer aus § 2 Abs. 5 VOB/B in Anspruchskonkurrenz. Ob und inwieweit dem Unternehmer im Ergebnis tatsächlich diese Ansprüche zustehen hängt davon ab, ob deren übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Keine vergütungsfähigen Mehrkosten der Klägerin
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin allerdings keinen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B gegen den Beklagten.
Die von ihr primär als Folge des Mitwirkungsverzugs geltend gemachten Umsatzverluste stellen keine Mehrkosten im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B dar, sodass dieser Nachteil ebensowenig nach dieser Norm vergütungsfähig ist, wie er nach § 642 BGB entschädigungsfähig ist.
Vorhaltekosten, die ihr durch den Annahmeverzug des Beklagten entstanden sind, sind als änderungsbedingte Mehrkosten durchaus nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu vergüten, allerdings gilt auch hier, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, Produktionsmittel – insbesondere ihre Mitarbeiter – im Annahmeverzug des Beklagten vorgehalten zu haben. Es gelten hier die Ausführungen zu § 642 BGB entsprechend (vgl. oben II.3.a)bb)(5)).
Kostensteigerungsnachteile, die nicht nach § 642 BGB, wohl aber nach § 2 Abs. 5 VOB/B ersatzfähig sind, macht die Klägerin im vorliegenden Fall nicht geltend.

IV. Kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B
Der Klageanspruch ergibt sich nicht, auch nicht teilweise, aus § 6 Abs. 6 VOB/B.
Macht der Unternehmer eines Bauvertrags wegen einer Störung des Bauablaufs auf dieser Rechtsgrundlage Schadensersatz geltend, setzt dies voraus, dass die Störung der Vertragsdurchführung auf eine Pflichtverletzung des Bestellers zurückzuführen ist.

1. Pflichtverletzung trotz Leistungsänderung
Dieser Anspruch entfällt nicht schon deshalb, weil die zugunsten der Klägerin unterstellte Verzugsmitteilung des Beklagten dazu führte, dass die Störung aufgrund ihrer Mitteilung ihren Charakter als Pflichtverletzung verloren hätte. Zwar stellt eine Verzugsmitteilung grundsätzlich eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B dar, dadurch werden aber nicht die sonstigen Regelungen des Vertrages geändert (vgl. oben III.1.f)).

2. Keine Pflichtverletzung des Beklagten
Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass ihr die mit der Klage geltend gemachten Vermögensnachteile – seien es Vorhaltekosten oder der (zeitbezogene) Umsatzverlust – aufgrund einer Pflichtverletzung des Beklagten entstanden sind.

a) Pflichtverletzung wegen fehlender Baufreiheit im Gebäude SCH?
Es begründet keine Pflichtverletzung des Beklagten, dass er der Klägerin das Gebäude SCH nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausführungsfrist vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 baufrei überließ.

Zwar sah der streitgegenständliche Vertrag für das Gebäude SCH noch diesen Zeitraum als verbindliche Ausführungsfrist vor. Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags verbindliche Ausführungsfristen, so ist diese Regelung im Zweifel aber so auszulegen, dass sie nur für den Unternehmer Vertragspflichten begründet, nicht hingegen für den Besteller (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16).

Das heißt: Eine solche Regelung ist so zu verstehen, dass der Unternehmer grundsätzlich seine Vertragspflichten verletzt, wenn er die Frist nicht einhält. Für den Besteller hingegen ist die fristgemäße Kooperation nur eine Obliegenheit.
Unterbleibt sie – etwa weil der Besteller dem Unternehmer zu Beginn der Ausführungsfrist das Grundstück nicht baufrei überlässt – führt dies zu den folgenden Rechtsfolgen zugunsten des Unternehmers:

Die rechtsverteidigende Wirkung für den Unternehmer besteht darin, dass sich eine ihn bindende Vertragsfrist nach hinten verschiebt oder im Einzelfall bei einer schwerwiegenden Störung auch vollständig hinfällig werden kann.
Die anspruchsbegründende Wirkung besteht darin, dass dem Unternehmer wie dargelegt ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB oder bei einer Verzugsmitteilung außerdem ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B gegen den Besteller zustehen kann.
Allerdings hat der Unternehmer wegen einer solchen Störung aus der Sphäre des Bestellers grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B gegen diesen. Dies gilt erst recht, wenn ein Bauvertrag überhaupt keine Vertragsfristen vorsieht. Dann besteht erst recht keine Vertragspflicht des Bestellers, dem Unternehmer ein baufreies Grundstück zu überlassen, sondern lediglich eine dahingehende Mitwirkungsobliegenheit im Sinne von § 642 BGB.
Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte vorgetragen, die dafür sprechen, dass die für das Gebäude SCH vereinbarten Ausführungsfristen – insbesondere die jeweiligen Fristanfänge – auch für den Beklagten eine Vertragspflicht begründen könnten.

b) Pflichtverletzung wegen fehlender Verschaffung der Ausführungsplanung?
Ebensowenig begründet es eine Pflichtverletzung des Beklagten, dass er der Klägerin während der Ausführungsfrist ihrer Arbeiten im Gebäude SCH vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 keine Ausführungsplanung für ihre Leistung übergab.

aa) Keine Ausführungsplanung des Beklagten
Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass ihr der Beklagte nach dem Vertrag eine Ausführungsplanung zu verschaffen hatte und dass dies hinsichtlich des Gebäudes SCH bis zum 7. April 2017 nicht geschehen war. So hat es die Klägerin im Termin vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen.

bb) Keine diesbezügliche Vertragspflicht des Beklagten
Ist ein Bauvertrag gemäß dem soeben erläuterten Grundsatz (oben IV.2.a)) dahin auszulegen, dass keine Pflicht des Bestellers besteht, dem Unternehmer ein baufreies Grundstück zu überlassen, dann kann es zumindest in aller Regel auch keine anderen Mitwirkungspflichten des Bestellers gegenüber dem Unternehmer geben, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B begründen könnte. Vielmehr ist dann die gesamte Mitwirkung des Bestellers nicht als Pflicht, sondern nur als Obliegenheit ausgestaltet (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55, Rn. 34 f; vgl. hierzu Leupertz, BauR 2010, 1999 ff und BauR 2014, 381 ff)

Zwar wird durchaus auch die Rechtsauffassung vertreten, dass der Besteller, wenn er nach dem Vertrag die Ausführungsplanung zu erstellen hat, hierzu gegenüber dem Unternehmer in Form einer Nebenpflicht gebunden sein soll (vgl. z.B. Markus in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Auflage, § 6 VOB/B, Rz. 55 ff m.w.N., der allerdings die abweichende Auffassung des BGH im Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz. 34 ff nicht erwähnt). Träfe dies zu, wäre im vorliegenden Fall ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 6 Abs. 6 VOB/B zumindest dem Grunde nach gegeben. Denn die Klägerin hätte ihre Leistungen im Gebäude SCH ab dem 21. November 2016 erbringen müssen. Der Beklagte hätte ihr deshalb die Ausführungsplanung im Zweifel spätestens an diesem Tag übergeben müssen. Da dies nicht geschehen ist, wäre der Beklagte mit der Übergabe der Ausführungsplanung seit diesem Datum in Verzug und hätte damit möglicherweise der Klägerin Schadensersatz in noch zu klärender Höhe zu leiste (wobei der Ausschluss des entgangenen Gewinns in § 6 Abs. 6 VOB/B zu beachten wäre).

(1) Entscheidend ist die rechtliche Qualifikation des Mitwirkungserfolgs
Allerdings steht die Annahme solcher Mitwirkungspflichten des Bestellers in Widerspruch zu der Aussage des BGH, wonach der Besteller grundsätzlich nicht verpflichtet ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Baufreiheit für den Unternehmer sicherzustellen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22), sondern ihn nur eine entsprechende Obliegenheit trifft. Die vollständig fehlende Baufreiheit stellt in zeitlicher Hinsicht die stärkste denkbare Behinderung des Unternehmers bei der Leistungserbringung dar. Sie führt dazu, dass er – hier in Bezug auf das Gebäude SCH – überhaupt keine Leistungen erbringen kann. Fehlende Ausführungspläne können zwar auch dazu führen, dass der Unternehmer nicht bauen kann, das muss aber nicht so sein. Insbesondere wenn die Pläne nur unvollständig sind, kann der Unternehmer durchaus in der Lage sein, seine Leistungen zumindest teilweise schon auszuführen.

Wenn aber die vollständige Störung der Leistungserbringung keine Pflichtverletzung ist, warum sollte dann eine Teilstörung, die jedenfalls keine weitergehenden Folgen hat, so eingestuft werden? Warum sollte im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung des Beklagten darin liegen, dass er der Klägerin bis zum 7. April 2017 keine Ausführungspläne für das Gebäude SCH übergeben hat, wo es doch keine Pflichtverletzung darstellt, dass er der Klägerin nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt hat, in dem Gebäude auch nur irgendeine Leistungen auszuführen?

Nach Meinung des Senats ist es deshalb nicht sinnvoll, die Frage, ob die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag als Pflicht oder Obliegenheit zu qualifizieren ist, nach der Art der Mitwirkungshandlung zu entscheiden (Beispiele für Arten von Mitwirkungshandlungen: Übergabe von Plänen, Taugliche Leistung des Vorgewerks, Treffen von Auswahlentscheidungen, Beschaffen von Genehmigungen etc.). Vielmehr muss es entscheidend auf den Mitwirkungserfolg ankommen. Denn für einen Bauunternehmer ist es von entscheidender Bedeutung ob bzw. in welchem Umfang er seine Leistungen ausführen kann. Ist er bei der Ausführung gestört und entstehen ihm dadurch zusätzliche Kosten, ist es für ihn – wenn überhaupt – von sekundärer Bedeutung, aus welchem konkreten Grund es dazu gekommen ist.

Daraus folgt weiter: Wenn der BGH die Grundentscheidung getroffen hat, dass sogar das vollständige Fehlen von Baufreiheit auf dem Baugrundstück zu Beginn einer Ausführungsfrist keine Pflichtverletzung darstellt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22), dann muss das auch für andere Mitwirkungsversäumnisse des Bestellers gelten, die keine weiter gehenden Folgen haben, sondern ebenfalls höchstens dazu führen, dass der Unternehmer vorübergehend keinerlei Leistungen ausführen kann. Von daher ist die entsprechende Aussage im Urteil des BGH vom 27. November 2008 (VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55, Rn. 34 f) folgerichtig.

Der Senat verkennt nicht, dass es für den Unternehmer eine starke Beeinträchtigung bedeuten kann, wenn der Besteller nicht so mitwirkt, wie es nach dem Vertrag vorgesehen ist. Es kann auch durchaus eine adäquate Antwort der Rechtsordnung darstellen, die Mitwirkung des Bestellers bei der Vertragsdurchführung deshalb als Pflicht anzusehen, was bei Störungen dann zu Ansprüchen des Unternehmers aus Verzug nach § 286 BGB oder § 6 Abs. 6 VOB/B führen kann. Wenn dies erwünscht ist, muss aber zu allererst durch den BGH die Grundentscheidung anders getroffen werden, wonach die Gewährleistung von Baufreiheit durch den Besteller zu einem bestimmten vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt im Zweifel keine Vertragspflicht ist.

(2) §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B sind kein Gegenargument
§§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B zwingen nicht zu der Annahme, dass das dort behandelte Verschaffen von Plänen und Genehmigungen eine Pflicht des Bestellers sei. Vielmehr können diese Normen auch so verstanden werden, dass sie lediglich die Mitwirkungsschnittstelle zwischen den Vertragsparteien für den Regelfall definieren und also bloße Bestellerobliegenheiten formulieren.

(3) Das Haftungsmodell der Planer-Unternehmer-Gesamtschuld ist kein Gegenargument
Ebensowenig folgen entsprechende Bestellerpflichten aus dem Haftungsrecht.
Beispiel 14: Der Besteller B übergibt die Ausführungsplanung seines Architekten A an den Unternehmer U, der danach baut, ohne Bedenken anzumelden. Die Planung war mangelhaft, deshalb ist dies auch Us Bauleistung. Die Beseitigung der Mängel kostet 100 t €.
In diesem Fall haftet nur A auf Schadensersatz in Höhe von 100 t €, während sich U auf die Mitverursachung des Baumangels durch A als den Erfüllungsgehilfen des Bestellers gemäß §§ 254, 278 BGB berufen kann, sodass sich seine Haftung bereits im Außenverhältnis gegenüber B im Zweifel auf 50 % reduziert (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz. 29 f m.w.N.). Diese Rechtsfigur des bauvertraglichen Haftungsrechts ist nicht von der Voraussetzung abhängig, dass der Besteller dem Unternehmer die Ausführungsplanung aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Pflicht schuldet. Vielmehr hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass bereits die Mitverursachung des Mangels durch die mangelhafte Planung die Haftungsminderung gemäß §§ 254, 278 BGB zugunsten des Unternehmers rechtfertigt und dass im Regelfall von einer bloßen Obliegenheit des Bestellers zur Übergabe einer (mangelfreien) Planung an den Unternehmer auszugehen ist (BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz 34 ff).

(4) Schutzpflichten des Bestellers gibt es
Aus der hier vertretenen Auffassung folgt nicht, dass es keine Schutzpflichten des Bestellers gäbe.
Beispiel 15: Der Besteller B übergibt dem Unternehmer U ein Planungsdetail seines Architekten A, wie ein Baugerüst an einer Stahlfassade zu befestigen ist. U baut das Gerüst nach dieser Vorgabe auf. Die Planung war mangelhaft, weil die Befestigung nicht ausreichend und das Gerüst deshalb nicht standfest ist. Es stürzt ein und verletzt zwei Mitarbeiter von U.

In diesem Fall kommt durchaus ein Schadensersatzanspruch von U gegen B in Betracht, wobei eine eventuelle Mitverursachung durch U gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen wäre. Haftungsbegründend für die Haftung von B wäre jedenfalls seine allgemeine Schutzpflicht, auf die Rechtsgüter seines Vertragspartners U und dessen Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen. B darf deshalb keine Arbeitsanweisungen treffen, die er oder sein Erfüllungsgehilfe A (§ 278 BGB) als gefährlich erkennen können. Aufgrund dieser allgemeinen Schutzpflicht wird aber nur ein Einzelaspekt der Planverschaffung von B an U zur Pflichtverletzung, nämlich das Plandetail, das die unzureichende Gerüstverankerung vorsah. Hingegen folgt aus der Annahme eines solchen Schadensersatzanspruchs nicht, dass die Planverschaffung insgesamt als Mitwirkungspflicht des Bestellers angesehen werden müsste.

(5) Weitere Schlussfolgerungen
Soweit der BGH angemerkt hat, dem Unternehmer könnte wegen einer Störung des Bauablaufs ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller zustehen, wenn dieser eine „selbständige Nebenpflicht” verletzt habe (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 34), so folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass dies nur in dem Ausnahmefall denkbar erscheint, wo eine vertragliche Ausführungsfrist entgegen der Grundregel doch eine Mitwirkungspflicht des Bestellers begründet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz. 22).
Im Übrigen hat sich gezeigt, dass der Sprachgebrauch von der Kooperationspflicht der Parteien des Bauvertrags etwas ungenau ist. Tatsächlich ist die Kooperation des Bestellers im Verlauf der Vertragsdurchführung weitgehend gerade nicht als Pflicht, sondern nur als Obliegenheit ausgestaltet.

V. Kein Anspruch aus §§ 280, 286 BGB
Aus den Ausführungen unter IV. folgt, dass der Klageanspruch mangels einer Pflichtverletzung des Beklagten nicht – auch nicht teilweise – auf §§ 280, 286 BGB gestützt werden kann.

VI. Nebenentscheidungen
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII. Zulassung der Revision
Die Revision wird zugelassen.

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VergMan ® – Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate von A bis Z

 

von Thomas Ax

A
Anforderungen aus „Spezialvorschriften“ müssen beachtet werden

EuGH, Urteil vom 26.01.2023 – Rs. C-403/21

1. Art. 58 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit den in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie garantierten Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber als Eignungskriterien Verpflichtungen vorschreiben kann, die sich aus Spezialvorschriften für Tätigkeiten ergeben, die im Rahmen der Ausführung eines öffentlichen Auftrags möglicherweise durchgeführt werden müssen und die von geringer Bedeutung sind.

2. Die in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 garantierten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Auftragsunterlagen automatisch durch Qualifikationskriterien ergänzt werden, die sich aus für Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem zu vergebenden Auftrag geltenden Spezialvorschriften ergeben, die in den Auftragsunterlagen nicht vorgesehen sind und die der öffentliche Auftraggeber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern nicht vorschreiben wollte.

3. Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass er dem Ausschluss eines Bieters aus dem Vergabeverfahren mit der Begründung, dass er den Unterauftragnehmer nicht benannt habe, dem er die Erfüllung von Verpflichtungen zu übertragen beabsichtige, die sich aus Spezialvorschriften für Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Auftrag ergäben und die in den Auftragsunterlagen nicht vorgesehen seien, entgegensteht, wenn dieser Bieter in seinem Angebot angegeben hat, dass er diese Verpflichtungen unter Inanspruchnahme der Kapazitäten eines anderen Unternehmens erfüllen werde, ohne jedoch mit diesem Unternehmen durch einen Unterauftrag verbunden zu sein.

A
Änderung der Vergabeunterlagen

OLG Bremen, Beschluss vom 04.11.2022 – 2 Verg 1/22

1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, sind von der Wertung auszuschließen. Eine (unzulässige) Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, er also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet.
2. Hält ein Bieter die Vorgaben des Auftraggebers für unzweckmäßig, rechtfertigt dies keine Abweichung von für sich genommen eindeutigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung. Es ist Sache des Auftraggebers, den eigenen Bedarf zu definieren.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, in der Ausschreibung eine weitergehende Vielfalt von technischen Lösungen zuzulassen.
4. Ein Nachprüfungsantrag ist grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf, solange ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist.
5. Sobald der Zuschlag wirksam erteilt ist und eine damit verbundene Rechtsverletzung des Bieters nicht mehr verhindert werden kann, können die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht mehr in zulässiger Weise angerufen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fällen.

A
Änderung des Beschaffungsbedarfs ist sachlicher Aufhebungsgrund

VK Nordbayern, Beschluss vom 06.07.2022 – RMF-SG21-3194-7-16

1. Anders als die Zuschlagsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers wirkt seine Aufhebungsentscheidung nicht als absolute, den Primärrechtsschutz ausschließende Zäsur, so dass die Aufhebungsentscheidung einer Kontrolle im Nachprüfungsverfahren unterzogen werden kann.
2. Als Feststellungsinteresse genügt jedes anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Es ist jedenfalls gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient und ein solcher Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint.
3. Es ist nicht Aufgabe der Vergabekammer – anders als im Fall, in dem die Unwirksamkeit eines Zuschlags gerügt wird – streitig über die Frage, ob ein Zuschlag wirksam zustande gekommen ist, zu befinden.
4. Bieter müssen die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen, wenn sie vergaberechtlich zulässig und daher von vornherein rechtmäßig ist. Ein öffentlicher Auftraggeber ist grundsätzlich nicht gezwungen, ein Vergabeverfahren mit der Zuschlagserteilung abzuschließen, auch wenn keiner der zur Aufhebung berechtigenden Tatbestände erfüllt ist. Die vergaberechtlichen Aufhebungsgründe schränken das Recht des Auftraggebers, ein Vergabeverfahren ohne Zuschlag zu beenden, grundsätzlich nicht ein. Sie haben vielmehr Bedeutung für die Abgrenzung einer rechtmäßigen Aufhebung von einer zwar wirksamen, aber rechtswidrigen Beendigung des Vergabeverfahrens.
5. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VgV ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat. Anerkannt ist, dass die Änderung erst nach Einleitung des Vergabeverfahrens, d. h. nach Bekanntmachung, eingetreten sein darf. Zudem ist anerkannt, dass die Änderungen zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens nicht vorhersehbar gewesen sein durften. Dies gilt insbesondere für die Änderung des definierten Beschaffungsbedarfs.
6. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VgV ist die Entscheidung über die Aufhebung in das Ermessen der Vergabestelle gestellt, da die Vorschrift zur Aufhebung berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung, die nachvollziehbar dokumentiert sein muss, sind die betroffenen Interessen in eine Abwägung einzustellen. Neben den Interessen des Auftraggebers sind daher insbesondere auch die Interessen der Bieter in die Abwägung mit einzubeziehen.

A
Aufhebung ist kein Automatismus

VK Thüringen, Beschluss vom 07.07.2022 – 4003-392-2022-E-004-WAK

1. Auch wenn ein in der einschlägigen Vergabeverordnung normierter Aufhebungsgrund vorliegt, ist die Aufhebung der Ausschreibung vergaberechtswidrig, wenn der Auftraggeber das ihm eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt bzw. dies nicht hinreichend dokumentiert hat.
2. Der Auftraggeber hat – auch wenn ein Aufhebungsgrund vorliegt -zu überlegen und abzuwägen, ob er die Ausschreibung aufhebt. Er hat sämtliche für und gegen eine Aufhebung des Vergabeverfahrens sprechenden Belange seiner selbst und der Bieter gegeneinander abzuwägen. Zu prüfen ist zudem, ob weniger einschneidende Alternativen in Betracht kommen.
3. In einem Vergabeverfahren nach VgV sind die Bieter im Öffnungstermin (weiterhin) nicht zugelassen und die Preise damit zumindest bis auf Weiteres geheim. Die Regelungen über den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen der Unternehmen sind bieterschützend.
4. Verstößt der öffentliche Auftraggeber gegen die Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit, ist er wegen Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dem Bewerber oder Bieter dadurch nachweislich ein Schaden entstanden ist.

B
Bauplatzvergabe muss transparent erfolgen

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.07.2022 – 1 S 1121/22

1. Der bei gemeindlichen Bauplatzvergaben grundsätzlich bestehende, in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung.
2. Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und welche Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden (sog. Transparenzgebot).

B
Beschaffungs- und Rechtsdienstleistung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.05.2022 – Verg 33/21

1. Der Bereich der Beschaffungsdienstleistung kann gegenüber dem Bereich der Rechtsdienstleistung als eigenständiges Fachlos eingeordnet werden.
2. Kann die benötigte Leistung auch in Form einer Fachlosvergabe erbracht werden, ist zu prüfen, ob von einer losweisen Vergabe ausnahmsweise abgesehen werden kann, etwa weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
3. Unter technischen und wirtschaftlichen Gründen sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen.
4. Mit der beruflichen Haupttätigkeit des Beschaffungsdienstleisters sind typischerweise bestimmte Rechtsdienstleistungen verbunden, da der Übergang zwischen bloßer Rechtsanwendung und juristischer Rechtsprüfung fließend ist.

B
Beteiligungsverhältnisse überschritten: Gesellschafter darf abgelehnt werden

EuGH, Urteil vom 01.08.2022 – Rs. C-332/20

1. Art. 58 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer von dem Verfahren zur Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft und zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an diese Gesellschaft mit der Begründung ausschließen kann, dass, wenn er ihn als Mitgesellschafter auswählen würde, seine nach den Ausschreibungsunterlagen höchstzulässige Beteiligung an der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft wegen seiner mittelbaren Beteiligung an ihm faktisch überschritten würde, sofern sein wirtschaftliches Risiko dadurch zunimmt.*)
2. Art. 38 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2366 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Wirtschaftsteilnehmer von dem Verfahren zur Gründung einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft und zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession an diese Gesellschaft mit der Begründung ausschließen kann, dass, wenn er ihn als Mitgesellschafter auswählen würde, seine nach den Ausschreibungsunterlagen höchstzulässige Beteiligung an der gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft wegen seiner mittelbaren Beteiligung an ihm faktisch überschritten würde, sofern sein wirtschaftliches Risiko dadurch zunimmt.*)

B
„Billigender Prüfvermerk“ durch den Auftraggeber

VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 – VK 1-95/22

1. Die Wertungsentscheidung kann vom Auftraggeber nicht auf Dritte delegiert werden. Es handelt sich um eine eigenverantwortlich zu treffende Entscheidung des Auftraggebers.
2. Zieht der Auftraggeber – was grundsätzlich zulässig ist – externen Sachverstand bei der Angebotsbewertung hinzu, muss die Wertungsentscheidung dennoch vom Auftraggeber selbst getragen werden.
3. An den „billigenden Prüfvermerk“, mit dem sich der Auftraggeber die Angebotswertungen des externen Dienstleisters zu eigen machen kann, sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Der Vermerk „inhaltlich richtig“ oder „einverstanden“ auf dem Vergabevermerk reicht bereits aus.

C
Carsharing von E-Fahrzeugen ist Dienstleistungskonzession

EuGH, Urteil vom 10.11.2022 – Rs. C-486/21

1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe in der Fassung der Delegierten Verordnung (EU) 2019/1827 der Kommission vom 30.10.2019 ist dahin auszulegen, dass es sich bei einem Vorgang, durch den ein öffentlicher Auftraggeber mit der Einrichtung und Verwaltung eines Systems des Mietens und der gemeinschaftlichen Nutzung (Carsharing) von Elektrofahrzeugen einen Wirtschaftsteilnehmer zu betrauen beabsichtigt, dessen finanzieller Beitrag überwiegend für den Erwerb dieser Fahrzeuge verwendet wird, wobei die Einnahmen dieses Wirtschaftsteilnehmers hauptsächlich aus den von den Nutzern dieser Dienstleistung gezahlten Gebühren stammen werden, um eine „Dienstleistungskonzession“ handelt, da solche Merkmale zu belegen vermögen, dass das Risiko im Zusammenhang mit der Verwertung der konzessionierten Dienstleistungen auf diesen Wirtschaftsteilnehmer übertragen wurde.
2. Art. 8 der Richtlinie 2014/23 in der Fassung der Delegierten Verordnung 2019/1827 ist dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Feststellung, ob der Schwellenwert für die Anwendbarkeit dieser Richtlinie erreicht ist, den „Gesamtumsatz ohne Mehrwertsteuer, den der Konzessionsnehmer während der Vertragslaufzeit erzielt“ unter Berücksichtigung der Gebühren, die die Nutzer an den Konzessionsnehmer entrichten werden, sowie der Beiträge und Kosten, die der öffentliche Auftraggeber tragen wird, zu schätzen hat. Der öffentliche Auftraggeber kann jedoch auch davon ausgehen, dass der für die Anwendung der Richtlinie 2014/23 in der Fassung der Delegierten Verordnung 2019/1827 vorgesehene Schwellenwert erreicht ist, wenn die Investitionen und Kosten, die vom Konzessionsnehmer allein oder zusammen mit dem öffentlichen Auftraggeber während der gesamten Laufzeit des Konzessionsvertrags zu tragen sind, diesen Schwellenwert offensichtlich überschreiten.
3. Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23 in der Fassung der Delegierten Verordnung 2019/1827 in Verbindung mit Anhang V Nr. 7 Buchst. b und dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sowie mit Art. 4 und Anhang XXI Punkt III.1.1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 der Kommission vom 11. November 2015 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen für öffentliche Aufträge und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011 ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber als Eignungskriterium und für die qualitative Bewertung der Bewerber verlangen kann, dass die Wirtschaftsteilnehmer im Handels- oder Berufsregister eingetragen sind, sofern ein Wirtschaftsteilnehmer seine Eintragung im entsprechenden Register in dem Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist, vorweisen darf.
4. Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2014/23 in der Fassung der Delegierten Verordnung 2019/1827 in Verbindung mit Art. 27 dieser Richtlinie und Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der von den Wirtschaftsteilnehmern verlangt, im Handels- oder Berufsregister eines Mitgliedstaats der Union eingetragen zu sein, nicht auf das aus CPV-Codes bestehende Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge verweist, sondern auf die Klassifikation NACE Rev. 2, wie sie durch die Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik eingeführt wurde.
5. Art. 38 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/23 in der Fassung der Delegierten Verordnung 2019/1827 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht ohne Verstoß gegen den durch Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie gewährleisteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von jedem Mitglied eines befristeten Zusammenschlusses von Unternehmen verlangen kann, in einem Mitgliedstaat im Handels- oder Berufsregister eingetragen zu sein, um die Tätigkeit der Vermietung von Kraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 3,5 t oder weniger auszuüben.

C
Chance auf den Zuschlag für Nachprüfungsantrag notwendig

BayObLG, Beschluss vom 20.01.2023 – Verg 14/22

1. Liegt das Angebot eines Bieters auf einem abgeschlagenen Platz, muss er zur Begründung seiner Antragsbefugnis (§ 160 Abs. 2 GWB) schlüssig Vergabeverstöße behaupten, die sich auf die Rangfolge der Angebote in der Weise auswirken können, dass sein Angebot auf eine aussichtsreiche Rangstelle vorrückt, oder die es gebieten, das Vergabeverfahren – bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht – noch weitergehend zurückzuversetzen.
2. Erforderlich ist, dass der Bieter Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorträgt, die einen hinreichenden Verdacht auf den gerügten Vergabeverstoß begründen. Daran fehlt es, wenn die Argumentation des Antragstellers nicht plausibel ist, weil er ihm bekannte Tatsachen ausblendet.

E
Eignungskriterien nicht bekannt gemacht: Schwer wiegender Vergaberechtsverstoß

VK Bund, Beschluss vom 31.08.2022 – VK 2-72/22

1. Ein Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren nur antragsbefugt, wenn er darlegt, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
2. Bezugspunkt des Schadens hat ein Nachteil zu sein, der kausal auf den Vergabefehler zurückgeht. Im Entgehen einer zweiten Chance liegt kein Schaden, wenn der Vergabefehler nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung des Angebots war.
3. Führt der öffentliche Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung keine Eignungskriterien auf, liegt zwar ein Vergaberechtsverstoß vor. Eine Gesamtbetrachtung des Vorgangs kann aber ergeben, dass es sich um keinen schwer wiegenden Vergabefehler handelt (Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, IBR 2018, 640).

E
Einziges Angebot ungeeignet: Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter zulässig

EuGH, Urteil vom 16.06.2022 – Rs. C-376/21

1. Art. 160 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.07.2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 und Art. 102 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates in der durch die Verordnung (EU, Euratom) 2015/1929 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Oktober 2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie auf von öffentlichen Auftraggebern der Mitgliedstaaten durchgeführte Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge selbst dann keine Anwendung finden, wenn diese Aufträge aus Mitteln der europäischen Struktur- und Investitionsfonds finanziert werden.
2. Art. 32 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/2170 der Kommission vom 24.11.2015 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung 2015/2170 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung an einen einzigen Wirtschaftsteilnehmer wenden darf, wenn dieses Verfahren die ursprünglichen Auftragsbedingungen, die in einem zuvor eingeleiteten Verfahren genannt waren, das eingestellt worden ist, weil das einzige abgegebene Angebot ungeeignet war, ohne grundlegende Änderungen übernimmt, auch wenn der Gegenstand des fraglichen Auftrags objektiv keine Besonderheiten aufweist, die es rechtfertigen, seine Ausführung nur diesem Wirtschaftsteilnehmer anzuvertrauen.

E
eVergabe: Beschaffungsdienstleister darf Angebote öffnen

VK Südbayern, Beschluss vom 16.05.2022 – 3194.Z3-3_01-21-62

1. Beantwortet ein öffentlicher Auftraggeber eine Bieterfrage nicht eindeutig, so kann ein Bieter, der in seinem Angebot eine vertretbare Interpretation der Antwort berücksichtigt, nicht wegen Änderungen der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden.
2. Die Vergabekammer hält für mit elektronischen Mitteln nach § 10 und § 11 VgV geführte Vergabeverfahren nicht mehr an ihrer im Beschluss vom 02.01.2018 (IBR 2018, 343, zu einem in Papier durchgeführten Vergabeverfahren) geäußerten Rechtsauffassung fest. Durch die Nutzung von Vergabeplattformen zur Angebotsabgabe und Angebotseröffnung, aufgrund der umfassenden elektronischen Protokollierung der Angebotsschritte ist die Gefahr von Manipulationen verschwindend gering.

F
Fachpersonal muss schon bei Angebotsabgabe zur Verfügung stehen

VK Sachsen, Beschluss vom 01.08.2022 – 1/SVK/010-22

1. Nimmt eine Bietergemeinschaft an einem Vergabeverfahren teil, muss die Rüge eines Vergaberechtsverstoßes von sämtlichen Mitgliedern der Bietergemeinschaft geltend gemacht werden. Macht hingegen lediglich ein Mitglied der Bietergemeinschaft die Verletzung von Bewerber- oder Bieterrechten geltend, ist ein späterer Nachprüfungsantrag der Bietergemeinschaft mangels ordnungsgemäßer Rüge unzulässig, wenn die Bietergemeinschaft das Mitglied nicht zur Rüge ermächtigt hat oder die Ermächtigung nicht spätestens mit der Rüge offengelegt wird.
2. Es ist nicht erforderlich, dass dem Bieter im Zeitpunkt der Wertung der Angebote oder der Zuschlagserteilung die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel bereits zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für Personal, das erst auf der Grundlage des erteilten Auftrags für den Bieter erforderlich ist und arbeitsvertraglich gebunden werden muss. Etwas anderes gilt dann, wenn es sich bei den zu vergebenden Dienstleistungen um solche handelt, für die auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Mitarbeitern zur Verfügung steht, so dass von einer jederzeitigen Verfügbarkeit nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann. In einem solchen Fall ist erforderlich, dass der Bieter in seinem Angebot konkret darlegen kann, aus welchen Gründen ihm das zur Auftragserfüllung erforderliche Personal bei Vertragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird.

F
Funktionaler Ausschreibung: Angebote müssen vergleichbar sein

VK Westfalen, Beschluss vom 17.02.2023 – VK 3-48/22

1. Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen. Unter einem sich Aufdrängen fällt auch ein bewusstes Sich-der-Erkenntnis-Verschließen. Ein Unternehmer verschließt sich der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes, wenn er als Teilnehmer eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen Vergaberechtsverstoß erst nach Abgabe des finalen Angebots rügt, obwohl er sich mit den Vergabeunterlagen bereits zur Erstellung eines ersten indikativen Angebots intensiv auseinandersetzen musste und die streitigen Ausschreibungsunterlagen nicht nur gelesen, sondern auch angewendet hat.
2. Ein Zuschlags(unter)kriterium soll dem Auftraggeber eine weitergehende Differenzierung zwischen den Angeboten ermöglichen, um auf dieser Grundlage eine nachvollziehbare Auswahlentscheidung treffen zu können. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es im Rahmen der Bewertung einen Punktwert erhält und sich dieser in der Gesamtwertung wiederfindet. In Abgrenzung hierzu sind mit Blick auf den einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung zukommenden Beurteilungsspielraum nicht sämtliche Überlegungen, die er im Rahmen der Wertung anstellt, gleich Zuschlagskriterien. Ein öffentlicher Auftraggeber muss sich mit den Angebotsinhalten auseinandersetzen und diese unter die Zuschlagskriterien subsumieren können.
3. Im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung überlässt der Auftraggeber dem Wettbewerb Rahmenbedingungen zur Lösung einer Aufgabe. Er ist zur Vorgabe von Lösungsvorschlägen nicht verpflichtet. Das gilt nicht nur bei standardisierten Leistungen, sondern auch bei einem komplexen Auftragsgegenstand. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit steigender Komplexität wechselwirkend die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der vorgegebenen Rahmenbedingungen steigen. Die Offenheit des Verhandlungsverfahrens darf nicht dazu führen, dass Bieter nicht mehr miteinander vergleichbare Angebote abgeben bzw. nicht mehr erkennen können, was von ihnen verlangt ist.

G
Geschäftsgeheimnisse

EuGH, Urteil vom 17.11.2022 – Rs. C-54/21

1. Art. 18 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 4 und Art. 55 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, nach denen die den öffentlichen Auftraggebern von den Bietern übermittelten Informationen – mit Ausnahme allein der Geschäftsgeheimnisse – vollständig zu veröffentlichen oder den anderen Bietern mitzuteilen sind, sowie einer Praxis der öffentlichen Auftraggeber, die darin besteht, Anträgen auf vertrauliche Behandlung wegen Geschäftsgeheimnissen systematisch stattzugeben, entgegenstehen.
2. Art. 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 sind dahin auszulegen, dass der öffentliche Auftraggeber
– bei der Entscheidung darüber, ob er einem Bieter, dessen ordnungsgemäßes Angebot abgelehnt wurde, den Zugang zu den Informationen verweigert, die die anderen Bieter zu ihrer einschlägigen Erfahrung und den entsprechenden Referenzen, zur Identität und zu den beruflichen Qualifikationen der für die Ausführung des Auftrags vorgeschlagenen Personen oder von Unterauftragnehmern, zur Konzeption der Projekte, die im Rahmen des öffentlichen Auftrags durchgeführt werden sollen, und zur Art und Weise seiner Ausführung vorgelegt haben, zu beurteilen hat, ob diese Informationen einen wirtschaftlichen Wert haben, der sich nicht auf den fraglichen öffentlichen Auftrag beschränkt, so dass ihre Offenlegung berechtigte geschäftliche Interessen oder den lauteren Wettbewerb beeinträchtigen kann;
– im Übrigen den Zugang zu diesen Informationen verweigern kann, wenn ihre Offenlegung, selbst wenn sie keinen solchen wirtschaftlichen Wert haben, den Gesetzesvollzug behindern würde oder sonst einem öffentlichen Interesse zuwiderliefe;
– dem Bieter, wenn der vollständige Zugang zu den Informationen verweigert wird, Zugang zum wesentlichen Inhalt der betreffenden Informationen gewähren muss, damit die Wahrung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewährleistet ist.
3. Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist im Licht ihres Art. 67 Abs. 4 dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Zuschlagskriterien das „Arbeitskonzept“ für die Entwicklung der Projekte, die im Rahmen des betreffenden öffentlichen Auftrags durchgeführt werden sollen, und die „Beschreibung der Art und Weise der Auftragsausführung“ umfassen, sofern diese Kriterien mit Präzisierungen versehen sind, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen, die eingereichten Angebote konkret und objektiv zu beurteilen.
4. Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn bei der Behandlung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags festgestellt wird, dass der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, dem Rechtsbehelfsführer Informationen offenzulegen, die zu Unrecht als vertraulich behandelt wurden, und dass aufgrund der fehlenden Offenlegung dieser Informationen gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verstoßen wurde, diese Feststellung nicht zwingend zum Erlass einer neuen Entscheidung über die Vergabe des Auftrags durch diesen Auftraggeber führen muss, sofern es das nationale Verfahrensrecht dem angerufenen Gericht erlaubt, während des Verfahrens Maßnahmen zu ergreifen, durch die das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wieder gewahrt wird, oder davon auszugehen, dass der Rechtsbehelfsführer gegen die bereits ergangene Vergabeentscheidung einen neuen Rechtsbehelf einlegen kann. Die Frist für die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs darf erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Rechtsbehelfsführer Zugang zu allen Informationen hat, die zu Unrecht als vertraulich eingestuft worden waren.

H
Hyperbolische Preisbewertungsformel

OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022 – 13 Verg 4/22

1. Zur Antragsbefugnis im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, wenn nach der Bewertung der Angebote die fehlende Bekanntgabe der – hyperbolischen – Preisbewertungsformel in den Vergabeunterlagen beanstandet wird.
2. Zur Frage, ob die gewählte – hyperbolische – Preisbewertungsformel in den Vergabeunterlagen bekannt gegeben werden muss (vgl. EuGH, IBR 2016, 530 – Dimarso).
3. Zur Frage, welche Anforderungen an die vom EuGH geforderte Festlegung der Bewertungsmethode vor Angebotsöffnung zu stellen sind, wenn die Preisbewertungsformel durch die vom Auftraggeber verwendete Vergabesoftware fest vorgegeben ist.
3. Zum Ausgleich eines Informationsvorsprungs eines Bieters, der in einem in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzten Vergabeverfahren ein Informationsschreiben gem. § 134 Abs. 1 GWB erhalten hatte, und zur Rügepräklusion in diesem Fall.

I
Inhouse-Auftrag

EuGH, Urteil vom 12.05.2022 – Rs. C-719/20

Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift oder Praxis entgegensteht, nach der die Ausführung eines öffentlichen Auftrags, der ursprünglich ohne Ausschreibung an eine Inhouse-Einrichtung vergeben wurde, über die der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübte, automatisch von dem Wirtschaftsteilnehmer fortgesetzt wird, der diese Einrichtung nach einer Ausschreibung übernommen hat, wenn der öffentliche Auftraggeber über diesen Wirtschaftsteilnehmer keine solche Kontrolle ausübt und auch nicht an dessen Kapital beteiligt ist.

K
Kenntnis vom Angebotsinhalt

EuGH, Urteil vom 15.09.2022 – Rs. C-416/21

1. Art. 57 Abs. 4 Unterabs. 1 d der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18.12.2017 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2364 der Kommission vom 18.12.2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der in diesem Art. 57 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. d genannte fakultative Ausschlussgrund Situationen, in denen hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Wirtschaftsteilnehmer eine gegen Art. 101 AEUV verstoßende Vereinbarung geschlossen haben, erfasst, aber nicht auf die in diesem Artikel angeführten Vereinbarungen beschränkt ist.
2. Art. 57 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2365 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/25 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2364 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dieser Art. 57 Abs. 4 die fakultativen Ausschlussgründe abschließend regelt, mit denen der Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aus Gründen gerechtfertigt werden kann, die sich, gestützt auf objektive Anhaltspunkte, auf seine berufliche Eignung sowie auf einen Interessenkonflikt oder eine aus seiner Einbeziehung in dieses Verfahren resultierende Wettbewerbsverzerrung beziehen. Aus diesem Art. 57 Abs. 4 ergibt sich jedoch nicht, dass der in Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 in der durch die Delegierte Verordnung 2017/2364 geänderten Fassung vorgesehene Gleichbehandlungsgrundsatz der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags an Wirtschaftsteilnehmer, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und deren Angebote trotz getrennter Abgabe weder eigenständig noch unabhängig sind, nicht entgegenstehen könnte.

K
Konzernverbundenheit

VK Bund, Beschluss vom 03.06.2022 – VK 1-45/22

1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung – anders als im offenen Verfahren – grundsätzlich ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet.
2. Voraussetzung für einen solchen Vertrauenstatbestand ist jedoch, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bieter abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat.
3. Ein Bewerber oder Bieter, der selbst nicht über die erforderliche Eignung verfügt, kann sich zwar im Rahmen der sog. Eignungsleihe auf die Eignung eines anderen Unternehmens – ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Verbindungen – berufen.
4. Es besteht für Bewerber oder Bieter eine Nachweispflicht dafür, dass ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, wenn sie sich für einen bestimmten Auftrag auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen. Zu den „anderen“ Unternehmen im Sinne der Eignungsleihe zählen auch Unternehmen innerhalb eines Konzernverbunds, auf deren Eignung sich der Bewerber oder Bieter stützen will.
5. Die bloße Konzernverbundenheit selbst genügt noch nicht für den Nachweis, dass der Bewerber tatsächlich auf die Kapazitäten oder Fähigkeiten eines verbundenen Unternehmens zurückgreifen kann. Auch in diesen Fällen muss vom Bewerber nachgewiesen werden, dass ihm die Kapazitäten des Unternehmens zur Verfügung stehen.

K
Korrektur von Vergaberechtsfehlern ist sachlicher Aufhebungsgrund

VK Bund, Beschluss vom 13.06.2022 – VK 2-52/22

1. Unabhängig davon, ob ein Aufhebungsgrund vorliegt, kann ein öffentlicher Auftraggeber von einem Vergabeverfahren grundsätzlich Abstand nehmen.
2. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Aufhebung der Ausschreibung aufgrund Fehlens eines sachlich gerechtfertigten Grunds willkürlich ist oder wenn die Aufhebung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nur zum Schein und tatsächlich zu dem Zweck erfolgt, einen Bieter gezielt zu diskriminieren.
3. Die Korrektur von Vergaberechtsfehlern ist ein sachlicher Aufhebungsgrund, wenn eine Manipulation des Vergabeverfahrens hierdurch ausgeschlossen ist. Das gilt insbesondere auch für Aufhebungen, die nach unzureichender Bekanntmachung der Eignungskriterien eine regelrechte Eignungsprüfung der Bieter ermöglichen sollen.

K
Kritische Bauaufgabe: Unterauftragsvergabe unzulässig

VK Lüneburg, Beschluss vom 14.10.2022 – VgK-17/2022

1. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Die früher angewandte Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist nicht mehr zulässig.
2. Die Eignungskriterien müssen in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen. Ein Verweis genügt nicht. Der (potentielle) Bieter und Bewerber soll sich bereits aufgrund der Bekanntmachung überlegen können, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann.
3. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist vorschriftsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können (Abschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2012, 1336 – nur online).

L
Leistungsansatz als Wertungskriterium

VK Bund, Beschluss vom 07.06.2022 – VK 2-40/22

1. Bei der Bewertung möglicher Gründe für den niedrigen Angebotspreis ist zu berücksichtigen, dass bei Reinigungsdienstleistungen, die personalintensiv sind, der ganz überwiegende Anteil des Preises auf die Lohnkosten entfällt.
2. Da die Löhne im Gebäudereiniger-Handwerk durch allgemeinverbindliche Tarifverträge geregelt sind, eröffnet die Höhe der Löhne keinen Wettbewerbsspielraum.
3. Ein Angebot mit einem hohen Leistungsansatz ist zwangsläufig günstiger als ein solches mit einem niedrigen Ansatz, da weniger Personal zum Einsatz kommt. Wird aber auf der einen Seite der hohe Leistungsansatz mit Pluspunkten belohnt, kann nicht auf der anderen Seite die zwangsläufige Folge des entsprechend niedrigeren Preises als Kehrseite derselben Medaille zum Ausschluss wegen fehlender Auskömmlichkeit führen.

M
Missverständliche Angaben sind nicht irreführend

BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 16/21

1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme am Verfahren ausschließen, wenn es fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln. Das gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber.
2. Irreführend ist eine Information, wenn sie bei objektiver Betrachtung dazu geeignet ist, beim öffentlichen Auftraggeber einen Irrtum über deren Inhalt hervorzurufen. Hierunter fallen vorrangig Erklärungen, die bereits für sich genommen nicht der Wahrheit entsprechen, in Betracht kommen auch Angaben, die aufgrund der Umstände falsch zu verstehen sind.
3. Nicht jede Widersprüchlichkeit oder Unklarheit eines Angebots, eines Teilnahmeantrags oder einer sonstigen Erklärung eines Unternehmens im Vergabeverfahren, die einer Aufklärung zugänglich ist, kann bereits für sich genommen als (versuchte) Irreführung des Auftraggebers aufgefasst werden.
4. Angaben zu missverständlichen, mehrdeutigen oder unklaren Vorgaben sind nicht ohne weiteres objektiv falsch bzw. irreführend. Auch bei unvollständigen oder lückenhaften Angaben ist kritisch zu prüfen, ob ihnen ein konkreter, irreführender Aussagegehalt beigemessen werden kann.

N
Nachunternehmer nicht geeignet

VK Rheinland, Beschluss vom 07.06.2022 – VK 4/22

1. Ein im Zusammenhang mit der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit zu prüfendes Unterkriterium ist die Erfahrung aus früher ausgeführten Aufträgen.
2. Der öffentliche Auftraggeber kann sich Ansprechpartner und Kontaktdetails nennen lassen, um bei den Referenzgebern Informationen über die Eignung der Unternehmen einzuholen.
3. Dem öffentlichen Auftraggeber kommt hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Referenzen ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
4. Im Rahmen der Eignungsleihe nach § 47 VgV ist es auch zulässig, dass ein Bieter (als Generalunternehmer) sämtliche Leistungen von Nachunternehmern erbringen lässt.
5. Etwaige Eignungsmängel des (im Rahmen der Eignungsleihe) benannten Dritten schlagen unmittelbar auf den Bieter durch.
6. Es gibt (für den öffentlichen Auftraggeber) Zumutbarkeitsgrenzen hinsichtlich der Erkenntnissicherheit über die Eignung. Selbst Umstände, die eine fehlende Eignung begründen, müssen nicht mit einer prozessualen Tatsachenfeststellungen Genüge leistenden Gewissheit feststehen.

O
oHG muss auf Gesellschaftermittel zurückgreifen: Eigene und Gesellschafter-EEE vorzulegen

EuGH, Urteil vom 10.11.2022 – Rs. C-631/21

Art. 59 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 und Art. 63 dieser Richtlinie sowie Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 der Kommission vom 05.01.2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenerklärung ist dahin auszulegen, dass ein Gemeinschaftsunternehmen, das – ohne eine juristische Person zu sein – die Form einer Gesellschaft hat, die dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Handelsregister eingetragen ist, sowohl vorübergehender als auch dauerhafter Natur sein kann und deren Gesellschafter auf dem gleichen Markt tätig sind wie das Unternehmen und gesamtschuldnerisch für die ordnungsgemäße Erfüllung der vom Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen haften, dem öffentlichen Auftraggeber ausschließlich seine eigene Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) vorlegen muss, wenn es in eigenem Namen an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilnehmen oder ein Angebot abgeben möchte und den Nachweis erbringt, dass es den in Rede stehenden Auftrag ausschließlich mit eigenem Personal und Material ausführen kann. Meint das Gemeinschaftsunternehmen hingegen, für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags auf die Mittel bestimmter Gesellschafter zurückgreifen zu müssen, ist dies als eine Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen gemäß Art. 63 der Richtlinie 2014/24 zu betrachten, und das Unternehmen muss dann nicht nur seine eigene EEE, sondern auch eine EEE für jeden Gesellschafter vorlegen, dessen Kapazitäten es in Anspruch nehmen möchte.

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Prämierter Wettbewerbsentwurf darf für Planungswettbewerb verwendet werden

VK Südbayern, Beschluss vom 21.07.2022 – 3194.Z3-3_01-21-78

1. Die Verpflichtung eines Wettbewerbsteilnehmers zur Wahrung der Anonymität der Wettbewerbsarbeit verbietet nicht grundsätzlich einen bereits veröffentlichten Entwurf nahezu unverändert (erneut) in einen Wettbewerb einzubringen.
2. Solange während der Preisgerichtssitzungen oder der Bewertung der Wettbewerbsarbeiten die Identität des Bieters nicht offenkundig wird, bleibt die Anonymität der Wettbewerbsarbeit gewahrt. Dies gilt auch, wenn einzelnen Mitgliedern des Preisgerichts die Ähnlichkeit der Wettbewerbsarbeit mit einer bereits bekannten Arbeit auffällt, solange die Grenze zur Befangenheit nicht überschritten wird.
3. Die Protokolle der Vorbesprechung des Preisgerichts und der Preisgerichtssitzung haben negative Beweiskraft. Wird darin nicht erwähnt, dass über eine für die Durchführung des Wettbewerbs bedeutsame Sache gesprochen oder diskutiert wurde, so ist davon auszugehen, dass ein Austausch darüber auch nicht stattfand.

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Präqualifikation befreit nicht von geforderten Nachweisen

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022 – Verg 19/22

1. Die Teilnahme am Präqualifikationssystem dient der Entlastung des Bieters von der Beibringung der Eignungsnachweise, nicht jedoch ihrer Ersetzung. Die Erleichterung in Bezug auf die Beibringung ändert nichts daran, dass die Erfüllung der Eignungskriterien grundsätzlich vom Bieter nachzuweisen ist.
2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Eignung und ihre Nachweise müssen für jeden Bieter gleich sein, unabhängig davon, ob dieser präqualifiziert ist oder nicht. Auch bei einem präqualifizierten Bieter hat der öffentliche Auftraggeber daher zu prüfen, ob die im Präqualifikationsverzeichnis hinterlegten Nachweise, die im konkreten Verfahren geforderten Eignungsangaben und Nachweise abdecken.
3. Fordert der öffentliche Auftraggeber die Angabe dreier mit der zu vergebenden Leistung vergleichbarer Referenzen, kann nur der Bieter die verlangten Angaben allein mit Verweis auf seine Eintragung im Präqualifikationsverzeichnis leisten, für den dort drei Nachweise über mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Leistungen hinterlegt sind. Die Eintragung ersetzt insoweit lediglich die Eintragung in der Eigenerklärung Eignung.

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Prüf- und Überwachungsstellen als Nachunternehmer

BayObLG, Beschluss vom 31.08.2022 – Verg 18/21

1. An eindeutige Angaben in seinem Angebot ist der Bieter gebunden.
2. Weist der Auftraggeber den Bieter im Rahmen des Aufklärungsgesprächs darauf hin, dass die vom Bieter vorgesehene Ausführungsvariante nicht möglich ist, und passt der Bieter daraufhin sein Angebot an, liegt eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vor. Ein Angebot ist bei einer Aufklärung in seinem Inhalt unverändert zu belassen.
3. Auf die Unterscheidung zwischen einer zulässigen Klarstellung des Angebotsinhalts und einer unzulässigen nachträglichen Änderung des Angebots kommt es auch dann an, wenn eine falsche Angabe versehentlich erfolgte oder anfechtbar ist.
4. Als Nachunternehmer wird ein Unternehmen bezeichnet, das Teile der ausgeschriebenen und vom Bieter zu erbringenden Leistung ausführt, ohne selbst in einem unmittelbaren vertraglichen Verhältnis zum Auftraggeber zu stehen. Der Nachunternehmer steht nur zum Bieter in Vertragsbeziehungen.
5. Unternehmer, die selbst keine Teile der in Auftrag gegebenen Bauleistung erbringen, sondern in Hilfsfunktionen tätig sind oder Hilfsleistungen übernehmen, wie z. B. Lieferanten von Baustoffen oder Verleiher von Baumaschinen, sind schon begrifflich keine Nachunternehmer.
6. Prüf- und Überwachungsstellen können Nachunternehmer sein. Leistungen anerkannter Prüfstellen werden allerdings nicht als Nachunternehmerleistungen qualifiziert, wenn die Prüfung per se nicht durch einen Bieter erbracht werden kann. Etwas anderes gilt, wenn auch ein Bieter grundsätzlich die Möglichkeit hat, die Leistung nach entsprechender Qualifikation zu erbringen.
R
Rechtzeitige Rüge notwendig, andernfalls Vergabenachprüfungsantrag unzulässig
VK Thüringen, Beschluss vom 20.12.2022 – 4003-404-2022-E-V-009-EF
1. Ein Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist gem. § 160 Abs. 3 GWB unzulässig, wenn der Bieter/Antragsteller erkannte bzw. erkennbare Vergaberechtsverstöße nicht rechtzeitig gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat.
2. Die Präklusionsvorschriften des § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB sind nicht unionsrechtswidrig, da diese Regeln hinreichend genau, klar und vorhersehbar festlegen, wie und bis zu welcher Frist der Interessent/Bieter potentielle Vergaberechtsverstöße rügen muss.

R
Reinigungsleistungen können sicherheitsempfindliche Tätigkeiten sein

VK Bund, Beschluss vom 22.12.2022 – VK 2-100/22

1. Öffentliche Auftraggeber können besondere Bedingungen für die Ausführung des Auftrags festlegen, die mit dem Auftragsgegenstand entsprechend stehen. Diese müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben und können insbesondere den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.
2. Reinigungsleistungen in einer Liegenschaft, in denen Verschlusssachen anfallen, auf die sich eingesetztes Reinigungspersonal grundsätzlich Zugriff verschaffen könnte, sind sicherheitsempfindliche Tätigkeiten.
3. Der Auftraggeber kann verlangen, dass der Auftragnehmer nach Erhalt des Zuschlags die für die Sicherheitsüberprüfung erforderlichen Formulare für die einzusetzenden Personen bei ihm einreicht.

S
Schwere berufliche Verfehlung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.06.2022 – Verg 36/21

1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Unternehmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird.
2. Der Begriff „Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit“ umfasst jedes fehlerhafte Verhalten, das Einfluss auf die berufliche Glaubwürdigkeit des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers hat.
3. Eine Form beruflichen Fehlverhaltens stellt die Verletzung von Wettbewerbsregeln oder Rechten des geistigen Eigentums dar, weshalb die Verletzung eines fremden gewerblichen Schutzrechts wie eines Patentrechts eine schwere berufliche Verfehlung darstellen kann.
4. Ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, wird nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren ausgeschlossen, wenn es dem öffentlichen Auftraggeber oder dem Bundeskartellamt nachgewiesen hat, dass es für jeden durch eine Straftat oder ein Fehlverhalten verursachten Schaden einen Ausgleich gezahlt oder sich zur Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet hat, die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen, durch eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber umfassend geklärt hat und konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weitere Straftaten oder weiteres Fehlverhalten zu vermeiden.
5. Eines Schadensausgleichs bedarf es nicht, wenn durch die Straftat kein ausgleichungsfähiger materieller Schaden verursacht wurde.

T
„Technische Fachkräfte“
KG, Beschluss vom 10.05.2022 – Verg 2/21

1. „Technische Fachkräfte“ i.S.d. § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV sind Fachkräfte, deren Leistungen eine durch Qualifikationen und Berufserfahrung belegbare besondere Fachkunde erfordern.
2. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.
3. Der im Vergabenachprüfungsverfahren gewährte Rechtsschutz ist rügebezogen. Es ist den Nachprüfungsinstanzen daher verwehrt, nicht gerügte Rechtsverletzungen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen. Macht ein Beteiligter eine solche Rechtsverletzung zum Gegenstand seiner Rüge, ist sie aber, soweit zulässig und insbesondere nicht präkludiert (§ 160 Abs. 3 GWB), zu berücksichtigen.

T
„Textform“ für Nachforderungsschreiben

VK Lüneburg, Beschluss vom 19.09.2022 – VgK-16/2022

1. Im Rahmen einer E-Vergabe hat die gesamte Bieterkommunikation in „Textform“ stattzufinden.
2. An die Textform werden erheblich geringere Anforderungen als an die Schriftform gestellt. Die Textform verlangt die Nennung der Person des Erklärenden. Gleichgültig ist, wo der Name des Erklärenden genannt wird. Möglich ist also eine Nennung in einer faksimilierten Unterschrift, aber etwa auch im Kopf oder Inhalt der Erklärung.
3. Die Textform kann ihre Funktion – Information und Dokumentation von Erklärungen – nur dann erfüllen, wenn für den Empfänger ersichtlich ist, ob die Erklärung rechtlich bindend sein soll und vollständig ist. Daher muss bei der Textform der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht werden.
4. Die Kenntlichmachung des Abschlusses der Erklärung kann auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel.
5. Lässt sich der Aussteller eines Schreibens sowohl der E-Mail-Adresse im Briefkopf als auch dem abgedruckten Namen unter der Grußformel entnehmen, genügt das Schreiben dem Textformerfordernis.

U
Übermittlungsrisiko ist Bieterrisiko

VK Rheinland, Beschluss vom 28.06.2022 – VK 39/21

1. Eine Zuständigkeit der Vergabe-Nachprüfungsinstanzen kann weder durch eine Angabe in der Bekanntmachung noch durch Parteivereinbarung begründet werden.
2. Zur Abgrenzung einer Konzession von einem öffentlichen Auftrag und von einem Mietvertrag.
3. Unaufklärbare Widersprüche in Vergabebedingungen sind grundsätzlich als Vergabeverstoß erkennbar.
4. Auch bei Konzessionsvergaben sind wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Angebote, denen geforderte Unterlagen nicht beigefügt sind, zumindest nach erfolgloser Nachforderung auszuschließen.
5. Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs und die Vollständigkeit des Angebots trägt grundsätzlich der Bieter die Beweislast. Auch das Übermittlungsrisiko liegt im Grundsatz bei ihm. Die Vergabestelle muss die Gründe für eine Unvollständigkeit des Angebots nicht aufklären.
6. Bejaht ein Auftraggeber im Teilnahmewettbewerb die Eignung eines Bewerbers, begründet er zu dessen Gunsten einen Vertrauenstatbestand. Ob dies einem rechtsschutzsuchenden anderen Unternehmen entgegengehalten werden kann, ist dagegen zweifelhaft.
7. Bei der Eignungsprüfung darf der Auftraggeber von einer Überprüfung von Eigenerklärungen absehen, soweit keine begründeten Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.
8. Nach Auslegung verbleibende Unklarheiten und Widersprüche bei Eignungsanforderungen gehen grundsätzlich zu Lasten des Auftraggebers.
9. Zur Ermittlung der Verwaltungsgebühr für die Tätigkeit der Vergabekammer bei einer Konzession.

U
Unklare Vergabeunterlagen

OLG Koblenz, Beschluss vom 23.05.2022 – Verg 2/22

1. Mehrdeutige und damit unklare Vergabeunterlagen verstoßen gegen das Transparenzgebot und sind vergaberechtswidrig.
2. Ob die Vergabeunterlagen mehrdeutig sind, ist aus Sicht der durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt zu beurteilen.
3. Ein Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz liegt nur dann vor, wenn die Vorgaben und Formulierungen in den Vergabeunterlagen auch nach erfolgter Auslegung noch mehrdeutig sind.
4. Die Mehrdeutigkeit der Vergabeunterlagen ist für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter zumindest erkennbar und muss daher bis spätestens zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden.

U
Unschuldsvermutung
VK Südbayern, Beschluss vom 06.07.2022 – 3194.Z3-3_01-21-72

1. Nach Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV können sich Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die Kriterien für die einschlägige berufliche Erfahrung (dies sind nach Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der Regel Referenzen) nur dann auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen stützen, wenn das andere Unternehmen auch die Arbeiten ausführt bzw. die Dienstleistung erbringt, für die die Leistungsfähigkeit nachzuweisen ist. Das bedeutet hinsichtlich der durch eine Referenz nachzuweisenden beruflichen Erfahrung, dass alle Teile der ausgeschriebenen Leistung, für welche eine Referenz zu erbringen war und für die der Bieter nicht auf eine eigene Referenz zurückgreifen kann, von dem Unternehmen auszuführen sind, auf dessen Leistungsfähigkeit – nämlich die durch eine Referenz nachzuweisende berufliche Erfahrung – sich der Bieter stattdessen stützen will.
2. Ein allgemeines Berufen darauf, dass Mitarbeitende der eignungsverleihenden Unternehmen, die an den entsprechenden Referenzaufträgen beteiligt waren, dem neu gegründeten Tochterunternehmen über den gesamten Leistungszeitraum irgendwie zur Verfügung stehen, kann aufgrund des deutlichen Wortlauts des Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU und des § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV angesichts der Intention des Richtliniengebers, die Eignungsleihe stärker zu reglementieren, nicht ausreichen.
3. Hat ein Unternehmen überhaupt keine eigenen, bei der Eignungsprüfung zu berücksichtigenden Referenzen, muss das die Eignung „verleihende“ Unternehmen die gesamten von der Referenz umfassten Leistungen ausführen.
4. Hat der Auftraggeber zulässigerweise nach Art. 4 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 ein Selbstausführungsgebot bzgl. eines bedeutenden Teils der öffentlichen Personenverkehrsdienste festgelegt, kann ein Unternehmen in diesem Umfang keine Eignungsleihe durch Berufen auf Referenzen anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn diese nach § 47 Abs. 1 S. 3 VgV die Leistung erbringen müssten.
5. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB setzt voraus, dass nur das Unternehmen vom Verfahren ausgeschlossen werden kann, das selbst eine wettbewerbsbeschränkende Absprache getroffen hat. Eine Zurechnung des Verhaltens anderer, auch konzernverbundener Unternehmen sieht weder § 124 GWB noch Art. 57 der Richtlinie 2014/24/EU vor.
6. Die bloße Durchführung von kartellbehördlichen Ermittlungsmaßnahmen reicht regelmäßig noch nicht aus, um einen Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu begründen.

U
Unterauftragnehmer
VK Bund, Beschluss vom 26.04.2022 – VK 2-34/22

1. Antragsbefugt im Vergabenachprüfungsverfahren ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht.
2. Die Antragsbefugnis setzt ein Interesse des jeweiligen Antragstellers am Auftrag voraus. Dieses Auftragsinteresse muss in Bezug auf den Antragsteller selbst gegeben sein.
3. Fallen Antragsteller und Teilnehmer am Wettbewerb auseinander, ist das für die Antragsbefugnis geforderte Auftragsinteresse des Antragstellers nicht gegeben.
4. Unterauftragnehmer haben zwar ein indirektes wirtschaftliches Interesse daran, dass der Teilnehmer am Wettbewerb, also der – im Fall der Auftragserteilung – zukünftige Auftraggeber und Vertragspartner der Unterauftragnehmer den Auftrag erhält. Dies begründet aber mangels eigenem Interesse an dem zur Vergabe anstehenden und im Nachprüfungsverfahren streitig gestellten Auftrag keine Antragsbefugnis.

V
Verbundene Unternehmen – Angebote unabhängig voneinander zu erstellen

BayObLG, Beschluss vom 11.01.2023 – Verg 2/21

1. Die Aufzählung der fakultativen Ausschlussgründe in § 124 GWB ist abschließend.
2. Bei richtlinienkonformer Auslegung steht allerdings der in § 97 Abs. 2 GWB normierte Gleichbehandlungsgrundsatz einer Berücksichtigung von Angeboten miteinander verbundener Unternehmen entgegen, die zwar getrennt abgegeben wurden, aber weder eigenständig noch unabhängig sind.
3. Die Vergabestelle ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob die Angebote miteinander verbundener Unternehmen eigenständig und unabhängig voneinander erstellt worden sind. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
4. Die Eröffnung der sog. „zweiten Chance“ durch eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der Sach- und Rechtslage am Schluss der (letzten) mündlichen Verhandlung feststeht, dass ein vergaberechtskonformer Zuschlag unmöglich ist und sich daran auch durch bloße Fortsetzung des Vergabeverfahrens nichts mehr ändern kann.

V
Vergabeunterlagen sind klar und eindeutig zu formulieren

OLG Schleswig, Beschluss vom 28.03.2022 – 54 Verg 11/21

1. Die Vergabestellen sind verpflichtet, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.
2. Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens müssen klar, präzise und eindeutig formuliert werden, so dass zum einen alle mit der üblichen Sorgfalt handelnden Unternehmen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen und Modalitäten verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und zum anderen der Auftraggeber tatsächlich überprüfen kann, ob die Teilnahmeanträge oder Angebote die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen.
3. Nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben. Unklare Vorgaben der Vergabestelle dürfen nicht zu Lasten der Bieter gehen.

V
„Vergleichbare Referenzprojekte“

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022 – Verg 25/21

1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber zwar die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung ein Vertrauenstatbestand geschaffen.
2. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann jedoch nur dann begründet werden, wenn der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es folglich, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat.
3. Zu den im Rahmen der Eignungsprüfung vorzulegenden Unterlagen gehört bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe eine ordnungsgemäße Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers.
4. Bei dem Begriff „vergleichbare Referenzprojekte“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist. Dabei bedeutet die Formulierung „vergleichbar“ nicht „gleich“ oder gar „identisch“, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten.
5. Der öffentliche Auftraggeber hat die Bewertung selbst vorzunehmen; die Wertungsentscheidung ist nicht delegierbar, die an ihr beteiligten Personen müssen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein. Diese haben zu prüfen, inwieweit die Angebote die in der Bewertungsmatrix aufgestellte Anforderung erfüllen.

W
Wertungsfehler

VK Sachsen, Beschluss vom 28.03.2022 – 1/SVK/041-21

1. An den Inhalt von Rügen sind im Allgemeinen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Der rügende Bieter muss aber grundsätzlich – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß.
2. Entzieht sich die Wertung des Auftraggebers – zum Zeitpunkt der Rüge – der Einsichtsmöglichkeit des Antragstellers, darf der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines nur beschränkten Informationsstands redlicher Weise für wahrscheinlich oder möglich halten darf.
3. Je weniger der Auftraggeber an tatsächlichen Gründen für eine abschlägige Wertung des Angebots in der Bieterinformation preisgibt, desto geringer sind die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung.
4. Fehler in der Wertung sind unbeachtlich, wenn sich durch diese die Bieterreihenfolge – also die Aussichten auf den Erhalt des Zuschlags – nicht ändert und einem Antragsteller dadurch insoweit kein Schaden entsteht.
5. Ein Auftraggeber darf den Angaben eines Bieters, die er in seinem Angeboten gemacht hat, grundsätzlich vertrauen. Nur dann, wenn sich aus dem Angebot Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen und/oder Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Bieter die gesetzten Vorgaben möglicherweise nicht einhalten kann, ist der Auftraggeber gehalten, eine Aufklärung herbeizuführen.
6. An den Prüfungsumfang der materiellen Eignungsprüfung sind im Fall konkreter Eignungskriterien mit jeweils unterschiedlichen (Mindest-)Anforderungen keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Einer umfassenden wertenden Beurteilung bedarf es nicht, wenn festgestellt wird, dass die gestellten Anforderungen inhaltlich erfüllt wurden.

W
Widerruf der Förderung ist die Regel bei Verstoß gegen Vergaberecht

VG Cottbus, Urteil vom 03.02.2023 – 3 K 1618/19

1. Das EU-Recht ermächtigt die nationale Vollzugsbehörde nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthält nur Vorgaben für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes.
2. Die gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe sind abschließend. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften als Hinweis auf das Gesetz stellt für sich genommen noch keine Auflage dar. Maßgeblich für den Auflagencharakter ist der Vorbehalt der Rückforderung. Hierfür reicht nicht, allgemein im Bescheid Rechtsvorschriften zu benennen.
3. Dem gesetzlichen Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, ist zu entnehmen, dass bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks das Ermessen nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen (sog. intendiertes Ermessen).
4. Diese Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen.

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