Das Interessenbekundungsverfahren als besondere Form der Markterkundung
von Thomas Ax
Das Interessenbekundungsverfahren (IBV) ist eine besondere Form der Markterkundung. Es kommt insb. bei der Planung neuer und der Überprüfung bestehender Maßnahmen oder Einrichtungen in Betracht.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 BHO ist in geeigneten Fällen privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben, darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten ebenso gut oder besser erbringen können als der Staat selbst. Im Verfahren sollen Informationen zu den Fragen, ob, unter welchen Rahmenbedingungen und zu welchen Preisen die private Wirtschaft zur Erbringung einer solchen, bisher selbst erbrachten, Leistung bereit ist, eingeholt werden.
Ziel des IBVs ist es mithin festzustellen,
- ob es überhaupt private Interessenten für die Übernahme konkreter staatlicher Aufgaben gibt (Erkundung eines Interessentenkreises),
- welche Vorstellungen die Interessenten von der Art der Aufgabenerfüllung haben (Erkundung der Marktideen) und
- zu welchem Preis (Ermittlung von Schätzpreisen) und unter welcher Risikoverteilung diese Leistung von Dritten übernommen werden könnte.
Das Verfahren selbst ist strikt von einem ggf. nachfolgenden Vergabeverfahren abzugrenzen. Für das IBV gelten die gesetzlichen Regeln des Vergabeverfahrens nicht, es kann ein Vergabeverfahren nicht ersetzen und es darf auch keine Vorfestlegung für ein späteres Vergabeverfahren ausgelöst werden. Es ist daher wenig formalisiert.
So wie keine Pflicht zur Vergabe besteht, sind die Teilnehmer auch nicht an ihre Interessenbekundung gebunden (Unverbindlichkeit). Es ermöglicht jedoch eine Erkundung des Marktes nach wettbewerblichen Grundsätzen (insb. Transparenz und Gleichbehandlung) und stellt eine dem tatsächlichen Bedarf gerecht werdende Vorbereitungsmaßnahme eines Vergabeverfahrens dar.
Um verwertbare und aussagekräftige Informationen aus einem Interessenbekundungsverfahren zu erhalten, kommt es entscheidend auf eine umfassende Information der privaten Anbieter an. Diese müssen über alle Daten verfügen, die sie für eine Kalkulation einer möglichen Interessenbekundung (Art „Budgetangebot“) benötigen. Zu diesen Informationen gehören die funktionale Bedarfsforderung (Leistungsbeschreibungen „light“) einschließlich einer Bedarfsprognose und die Rahmenbedingungen. Darüber hinaus sind den Interessenten die Kriterien mitzuteilen, die für die Entscheidung im IBV maßgeblich sind.
Die Ergebnisse werden regelmäßig bei der Durchführung einer WU verwendet. Stellt sich bei der WU heraus, dass eine private Lösung voraussichtlich genauso wirtschaftlich oder wirtschaftlicher als die Eigenleistung ist, besteht die Verpflichtung zur Durchführung eines Vergabeverfahrens.
Die Durchführung eines IBV im Rahmen oder Vorfeld einer WU ist jedoch nicht zwingend. Liegen die benötigten Informationen zur Durchführung der WU aus anderen Quellen vor, z.B. durch zuvor bereits durchgeführte Markterkundungsmaßnahmen wie etwa Marktsymposien, bedarf es keines weiteren IBV. In Anbetracht des allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist stets das für alle Parteien einfachste erfolgversprechende Mittel zur Ermittlung der notwendigen Informationen für die Durchführung der WU zu wählen. Um eine doppelte „Angebots“erstellung (einmal im Rahmen des IBV und dann im späteren Vergabeverfahren) zu vermeiden, könnte daher im Einzelfall die Informationsgewinnung im Rahmen sonstiger Marktsichtungsmaßnahmen verhältnismäßiger sein.
Nicht geeignet sind ferner Fälle, bei denen durch das IBV keine weiteren Erkenntnisse erwartet und lediglich vermeidbare Kosten beim Anbieter und Aufwendungen der öffentlichen Hand verursacht werden. Steht bei einem IBV nur die Ermittlung eines Schätzpreises im Vordergrund, ist wegen der Kosten des Verfahrens abzuwägen, ob andere Methoden zur Schätzpreisermittlung (z. B. Preisableitung von vergleichbaren Leistungen) wirtschaftlich sein können.