Ax Projects GmbH

 

vorgestellt von Thomas Ax

Angenommen, der EU-Auftragswert von 215 TE ist nicht erreicht:

Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, sind nach § 50 UVgO grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben. Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Die Vergabe von freiberuflichen Leistungen ist in § 50 UVgO speziell geregelt. Die Vorschrift greift die Regelung Nummer 2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung – ähnliche Regelungen finden sich teils auf Landesebene – auf und stellt klar, dass auch freiberufliche Leistungen grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben sind. Dabei ist ohne Bindung an die übrigen Vorschriften der UVgO so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Die Vergabe freiberuflicher Leistungen ist eine Besonderheit. Sie basiert auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen meist über mehrere Jahre hinweg. Sie entspricht eher einer Suche nach Mitarbeiter*innen auf Zeit, denn einer Suche nach externen Dienstleistenden. Auftraggeber*innen sollen das eigentliche Ziel des Verfahrens, nämlich dem Planer oder der Planerin den Auftrag zu erteilen, der oder die die bestmögliche Leistung erwarten lässt, mit vertretbarem Aufwand erreichen. Auftragnehmer*innen sollen sich auch unterhalb der Schwellenwerte einem transparenten Leistungswettbewerb und keinem reinen Preiswettbewerb gegenübersehen. Lt. § 2 UVgO sind auch unterhalb der  Schwelle folgende allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts zu beachten:

• Wettbewerb
• Transparenz
• Gleichbehandlung.

Die Einhaltung dieser Grundsätze kann von Zivilgerichten überprüft werden. Nach § 2 Abs. 1 UVgO sind zudem die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei geht es nicht nur um das Gebot der Sparsamkeit, sondern auch um die Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung. D. h., dass keine überzogenen Vergabeverfahren durchzuführen sind, bei denen die Kosten der Vergabe höher sind als der Wert der Vergabe.

Es bedeutet:

Wettbewerb:
Nach § 50 UVgO sind freiberufliche Leistungen „grundsätzlich“ im Wettbewerb zu vergeben und es ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie „dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist“. Was sich der Ordnungsgeber dabei dachte, zeigt die Erläuterung dazu. Hier heißt es: »Dabei ist ohne Bindung an die übrigen Vorschriften der UVgO so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.« „Ohne Bindung an die übrigen Vorschriften“ bedeutet, dass der Auftraggeber grundsätzlich frei ist, wie er einen Wettbewerb gestaltet. Die übrigen Regelungen, insbesondere zu den Verfahren lt. Unterabschnitt 1 der UVgO oder der Begrenzung des Direktauftrags bis 1.000 € nach § 14 UVgO, sind nicht zwingend einzuhalten, sie können also bei freiberuflichen Leistungen nur als Empfehlung gewertet werden. „Nach den besonderen Umständen möglich“ bedeutet, dass ein vernünftiger und der Aufgabe angepasster Wettbewerb ausreicht. Übliche Architekten- und Ingenieurleistungen sind Aufträge über konzeptionelle Lösungen, sind meist nicht ohne vorherige Verhandlungen zu vergeben oder/und sind vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar. Damit wären sie grundsätzlich dem § 8 Abs. 4 UVgO zuzuordnen und im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Eine Verhandlungsvergabe entspricht dem Verhandlungsverfahren bei Vergaben nach VgV, kann aber deutlich einfacher ausfallen. Nach § 76 Abs. 1 VgV sind Architekten- und Ingenieurleistungen im Leistungswettbewerb zu vergeben. Unterhalb der EU-Schwellenwerte kann nichts anderes gelten. Es soll also kein reiner Preiswettbewerb stattfinden. Das ist dadurch zu erreichen, dass neben quantitativen Kriterien (Preis) auch qualitative Kriterien (Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Erfahrung) herangezogen werden und der Zuschlag nach dem besten Preis-/Leistungsverhältnis erfolgt (§ 43 UVgO). In der Regel wird ein angemessener Wettbewerb sichergestellt, wenn Auftraggeber*innen eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb nach § 8 Abs. 4 UVgO durchführen. Das hier vorgestellte „Suchverfahren“ stellt eine solche Verhandlungsvergabe dar. Bei einem Suchverfahren erfolgt ein Leistungswettbewerb unter fachkundigen, leistungsfähigen und zuverlässigen Bewerber*innen, wobei der Preis keine überragende Bedeutung haben sollte. Bei Leistungen, deren Vergütungen in der HOAI verordnet sind, dienen die Tafelwerte der HOAI22 der Orientierung für angemessene Preise.

Transparenz:
Ein transparentes Verfahren ist ein Verfahren, welches verständlich und objektiv nachvollziehbar ist. Transparenz ist dann gegeben, wenn die Vergabestelle den Bewerber*innen zusammen mit der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten mitteilt, welche Kriterien für ihre Vergabeentscheidung maßgebend sind. Außerdem ist das durchgeführte Vergabeverfahren in einem Vergabevermerk, der alle Phasen beschreibt, zu dokumentieren (§ 6 UVgO). Dieser Vermerk ermöglicht auch jederzeit die Überprüfbarkeit durch Dritte, z. B. von Fördermittelgebern oder Zivilgerichten oder den Nachprüfungsbehörden in den Bundesländern, bei denen diese eingerichtet sind.

Gleichbehandlung:
Der Grundsatz, dass alle Bewerber*innen und Bieter*innen gleich zu behandeln sind, ist bei jedem Verfahrensschritt zu beachten.

 


Caterer haben Anspruch auf Preisanpassung

 

von Thomas Ax

Der Beginn des Ukrainekriegs unterscheidet sich von Fällen, die durch die Rechtsprechung früher entschieden wurden und in denen die Entwicklung vorhersehbar war und auch eine Möglichkeit zur Vorsorge bestand. Der Ukrainekrieg trat plötzlich ein und führte zu strengen wirtschaftlichen Sanktionen, deren Auswirkungen drastisch sind und es keine Möglichkeit gab, diese in Verträgen zu berücksichtigen.

* Die Parteien können grundsätzlich nach § 311 Abs. 1 S. 1 BGB die in dem ursprünglichen Vertrag geregelten Preise durch einen neuen Vertrag bestimmen.
* Eine Vertragspassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach 5 313 Abs. 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn der Vertrag zwischen dem Kitaträger und Caterer keine PreisänderungskIausel vorsieht.
* Die Folgen des Ukrainekriegs und die wirtschaftlichen Auswirkungen führen grundsätzlich zur Störung der Geschäftsgrundlage. Die Risikoverteilung und Zumutbarkeit am Festhalten des Vertrags hängt jedoch von jeweiligen Einzelumständen ab.
* Als Kriterien der Zumutbarkeit nach § 313 Abs. 1 BGB sind unter anderem die Ursachen der Kostenabweichung, ihre Vorhersehbarkeit, die grundsätzliche Risikoverteilung, die Dauer der Störung und der Prozentsatz der Mehrkosten zu berücksichtigen. Die Grenze zur Unzumutbarkeit ist regelmäßig überschritten, wenn das finanzielle Gesamtergebnis nicht nur den Gewinn aufzehrt, sondern auch zu Verlusten führt.
* Bei der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB ist den berechtigten Interessen beider Parteien zu tragen. Die Anpassung ist danach vorzunehmen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die überraschend nachträglich eingetretenen Umstände (Ukraine-Krieg) bei Vertragsschluss gekannt hätten. Bei der Abwägung sind unter anderem die Nachteile des Caterers einzustellen, finanzielle UnterstützungsIeistungen oder Betriebsversicherungen sowie Maßnahmen, die ergriffen wurden oder möglich gewesen wären, um drohende Verluste zu vermeiden, zu berücksichtigen. Dabei ist auf den konkreten Auftrag abzustellen. Eine Überkompensation der Verluste ist ausgeschlossen. Eine pauschale, beispielsweise hälftige Aufteilung der Nachteile ist nicht vorzunehmen.
* Eine vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung steht der Anwendung von § 313 BGB dann nicht entgegen, wenn ein Festhalten an den Vertragsbedingungen zur Existenzgefährdung des Caterers führen würde.
* Ein Anspruch auf Vertragsanpassung oder zusätzliche Vergütung besteht nicht, wenn vergaberechtliche Grundsätze verletzt sein sollten.

Vereinbarung von Preisanpassungsklauseln

Im Übrigen könnten die Parteien auch direkt im Vertrag eine Preisanpassungsklausel vereinbaren. Als Beispiel für eine derartige PreisanpassungskIausel könnte folgende Formulierung dienen:

Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex ausgehend vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses künftig um mindestens 10 %, so tritt – automatisch – von dem Beginn des auf diese Änderung folgenden Monats an eine Änderung der Höhe der nach § xx dieses Vertrages beschriebenen monatlichen Preise im gleichen prozentualen Verhältnis zur Indexänderung ein, und zwar ohne dass es hierzu noch eines besonderen Erhöhungs- oder Verminderungsbegehrens bedürfte. Sobald sich der Index dann erneut um 10 % seit dem Zeitpunkt der letzten Zahlungsanpassung erhöht hat, passt sich der nach § xx dieses Vertrages beschriebene monatliche Preis erneut entsprechend prozentual an.

Die vorstehende Anpassungsklausel gilt nur für Verträge mit einer Vertragsbindung von mindestens zehn Jahren. Für den Fall einer kürzeren Vertragslaufzeit vereinbaren die Vertragsparteien, dass der Caterer einseitig nach billigem Ermessen die vereinbarten Preise anpassen kann, wenn seit Vertragsabschluss bzw. -verlängerung die allgemeinen Preissteigerungen eine Veränderung des als repräsentativ vereinbarten, vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex um mindestens 10 % geändert haben. Das neue FestsetzungsverIangen ist schriftlich geltend zu machen und wirkt ab Beginn des Kalendermonats, der auf den Zugang des Schreibens an den Kita-Träger folgt.

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Markterkundung als sinnvolles Instrument

 

von Thomas Ax

Markterkundung

§ 28 Vergabeverordnung (VgV) und § 20 UVgO sind zu beachten.

Zweck

Der Auftraggeber muss klären, was er genau beschaffen will. Durch eine Markterkundung kann in Erfahrung gebracht werden, ob der Beschaffungsgegenstand überhaupt auf dem Markt verfügbar ist, zu welchen Preisen und Kosten er zu erwerben ist und in welchem Umfang ein Wettbewerb besteht. Eine Markterkundung ist zwingend erforderlich, wenn der öffentliche Auftraggeber keine ausreichenden eigenen Erkenntnisse zur Beschreibung der Leistung hat. Gleiches gilt, wenn der Auftraggeber mangels Preiskenntnis keine belastbare Auftragswertschätzung vornehmen kann und daher das anwendbare Vergaberecht nicht bestimmbar ist. Die Markterkundung dient auch der Vorbereitung der Auftragsvergabe im Hinblick auf die Erstellung der Leistungsbeschreibung und der Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien. Soweit durch eine Markterkundung Unternehmen über Auftragsvergabepläne und -anforderungen unterrichtet werden können, ist dabei ein besonderes Augenmerk auf die Beachtung des Wettbewerbs- und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu legen. Alle Marktteilnehmer, die als potenzielle Bieter in Betracht kommen, sind dann im gleichen Umfang zu informieren. Wird dies – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – versäumt, ist ein etwaiger Wissensvorsprung einzelner Unternehmen im Vergabeverfahren auszugleichen.

Methoden

Allgemeine Recherche (Internetrecherche, Abfrage von Erfahrungen anderer öffentlicher Auftraggeber oder auch Sachverständiger, Besuch von Messen und Informationsveranstaltungen von Unternehmen, Gremienarbeiten, Fachzeitschriften, Veröffentlichungen; Auskunft von Verbänden oder Auftragsberatungsstellen, Markterkundung von Dritten, eigene Erfahrungswerte aus bisherigen Projekten oder Ausschreibungen); Abfrage von Informationen bei konkreten Unternehmen. Eine aktive Einbindung von Unternehmen erfolgt dann, wenn der Auftraggeber dort Informationen, Teststellungen oder gar Angebote anfordert. Es sind stets mehrere Unternehmen anzusprechen. Zudem sind allen Unternehmen stets die gleichen Informationen zu geben und es ist darauf zu achten, dass allen Beteiligten klar ist, dass es sich um eine Markterkundung handelt und keine Auftragsvergabe erfolgen wird. Bei diesen Markterkundungsterminen ist es wichtig, dass hier kein Informationsvorteil der beteiligten Unternehmen für das kommende Vergabeverfahren entsteht. Gegebenenfalls müssen diese Informationsvorsprünge dann durch zusätzliche Informationen an alle Unternehmen ausgeglichen werden.

Dokumentation

Dokumentationspflichten sind zu beachten. Es empfiehlt sich, den Schriftverkehr und/oder Prospekte et cetera in die Vergabeakte aufzunehmen und Gesprächsvermerke anzufertigen.

Bedarfsermittlung, Bedarfsanalyse

Der Bedarf für eine Leistung oder ein Produkt ist unter Berücksichtigung einer Bedarfsanalyse zu ermitteln und zu formulieren. Im Weiteren sind die Investitions- und Folgekosten zu schätzen und die Finanzierung zu klären. Wenn der Bedarf festgestellt wurde und dessen Finanzierung gesichert ist, können die nächsten Schritte eingeleitet werden. Der Beschaffungsbedarf ist Grundlage der Auftragswertschätzung. Die Ergebnisse der Bedarfsanalyse finden in die Leistungsbeschreibung und damit in das Vergabeverfahren Eingang.

Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens ist stets eine detaillierte Bedarfsanalyse durchzuführen, der sich eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung anschließt. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dient als Planungsinstrument und für die spätere Erfolgskontrolle. Insbesondere im Ergebnis der vorangegangenen Bedarfsanalyse ist zu entscheiden, durch welche Leistungen die aus Wirtschaftlichkeitssicht beste Lösung erreicht werden kann.

Die Auftraggeber sind zudem angehalten, auch Alternativen zum klassischen Kauf von Lieferleistungen zu überprüfen, um auf diesem Weg vom Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ zu profitieren. Insbesondere ist festzustellen, ob die Beschaffung der Leistung erforderlich ist. Bei Lieferleistungen ist abzuwägen, ob anstelle des Kaufs auch die Reparatur eines vorhandenen Produkts, der Kauf eines gebrauchten Produkts oder die Miete oder das Leasing ein Mittel der Beschaffung darstellt.

Kommen bei der Bedarfsanalyse mehrere Möglichkeiten der Beschaffung in Betracht, ist solchen Liefer- und Dienstleistungen in Abwägung mit anderen relevanten Kriterien mit Bezug zum Beschaffungszweck der Vorzug zu geben, mit denen das Ziel der Beschaffung der Leistung zu den geringsten Kosten erreicht werden kann.

Schätzung des Auftragswertes

Die Höhe des Auftragswertes ist nach den Grundsätzen des § 3 VgV zu schätzen. Hierzu kann auch eine Markterkundung gemäß § 28 VgV beziehungsweise § 20 UVgO vorgenommen werden. Die Grundlagen der Schätzung des Auftragswertes sind zu dokumentieren.

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Fallstudie: Nur fehlende Angaben dürfen nachgefordert werden

 

von Thomas Ax

Nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bieters die Vorlage geeigneter Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungen in Form einer Liste der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- und Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers verlangen. Der Auftraggeber fordert hier die Angabe der Jahresreinigungsfläche. Eine geforderte Angabe der Jahresreinigungsfläche betrifft die Art und Wert der Leistung im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Hat die Bieterin mit der von ihr vorgelegten „Referenzliste“ Angaben der Jahresreinigungsflächen in den Referenzprojekten nicht gemacht, hat sie den geforderten Beleg der an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter gestellten Anforderungen nicht erbracht. Da die von der Bieterin vorgelegte Referenzliste mangels Angaben zu den Jahresreinigungsflächen nicht den an die Referenzen gestellten Anforderungen entspricht, kann sie den Nachweis für die an die Eignung gestellten Mindestanforderungen nicht erbringen. Um ein taugliches Beweismittel und damit geeigneter „Beleg“ zu sein, müssen Eigenerklärungen richtig und vollständig sein (Senatsbeschlüsse vom 7. November 2018 – Verg 39/18 -, und vom 6. Juli 2005 – Verg 22/05 -). Daran fehlt es hier. Mangels Nennung der Jahresreinigungsflächen zu den Projektreferenzen entspricht die Referenzliste der Antragstellerin in einem zentralen Punkt nicht den Vorgaben der Auftragsbekanntmachung. Ihr fehlt ein mit Eigenerklärungen der Referenzauftraggeber vergleichbarer Beweiswert. Dem Auftraggeber ist es infolge der fehlenden Angaben nicht möglich, die Vergleichbarkeit der Referenzprojekte zu überprüfen.

Darf nachgefordert werden?

Der Auftraggeber darf die Eigenerklärungen zu den Referenzen einschließlich der fehlenden Angaben zu den Jahresreinigungsflächen nicht nachfordern. Die Nachforderung ermöglichte eine mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GWB) nicht vereinbare inhaltliche Nachbesserung ihrer Referenzen. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 VgV kann der öffentliche Auftraggeber die Bieterunternehmen unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Keiner der genannten Fälle liegt vor. Die Eigenerklärungen über die Referenzen fehlen im Angebot nicht, noch sind sie unvollständig oder fehlerhaft im Sinne von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV.

Der Auftraggeber darf die Bieterin nicht auffordern, die Eigenerklärungen zu den Referenzen nachzureichen, denn die Eigenerklärungen fehlen im Angebot nicht.

Eine Unterlage fehlt, wenn sie gar nicht oder nicht entsprechend den formalen Anforderungen des Auftraggebers vorgelegt wurde (Senatsbeschlüsse vom 18. September 2019 – Verg 10/19 -; vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -, und vom 12. September 2012 – Verg 108/11; von Wietersheim in Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, BeckOK Vergaberecht, 19. Edition, Stand 31.01.2021, § 57 VgV Rn. 14b; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 21). Wie der Senat mehrfach entschieden hat, ist eine inhaltlich unzureichende Unterlage nicht mit einer fehlenden gleichzusetzen (Senatsbeschlüsse vom 18. September 2019 – Verg 10/19 -, und vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -). Sind die geforderten Unterlagen vorhanden, aber inhaltlich unzureichend, ist dies kein Anwendungsfall des § 56 Abs. 2 VgV (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015 – Verg 35/15). Nur die rein formal fehlerhafte Urkunde steht einer fehlenden gleich (Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 2012 – Verg 47/12 -, und vom 17. März 2011 – Verg 56/10 -; ebenso OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2018, Verg 2/18 -).

Gemessen daran fehlen die Eigenerklärungen im Angebot nicht.

Sie sind, wenngleich inhaltlich unvollständig, körperlich vorhanden. Die vorgelegte „Referenzliste“ weist auch keinen formalen Mangel auf, der einem Fehlen der Unterlage gleichsteht. Der Auftraggeber hat an die vorzulegenden Referenzen schon keine formalen Anforderungen gestellt. Dass die Angaben zu den Jahresreinigungsflächen fehlen, steht einer fehlenden Unterlage ebenfalls nicht gleich. Zwar kann es sich bei Einzelangaben grundsätzlich um Angaben und mithin um Unterlagen handeln (vgl. § 48 Abs. 1 VgV). Der Nachforderung unterliegt jedoch nur die vom öffentlichen Auftraggeber geforderte Unterlage, nicht ihre einzelnen Bestandteile. Andernfalls würde die Grenze zwischen zulässiger Nachreichung bzw. Vervollständigung des Angebots und unzulässiger Nachbesserung verwischt.
Da die beigefügten Eigenerklärungen zu den Referenzen nicht unvollständig sind, darf der Auftraggeber die Bieterin auch nicht zur Vervollständigung ihrer Unterlagen auffordern. Eine Unterlage ist unvollständig, wenn sie teilweise physisch nicht vorgelegt worden ist; inhaltliche Unvollständigkeiten sind hiervon nicht erfasst (KG, Beschluss vom 4. Dezember 2015, Verg 8/15 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 19. Januar 2015, Verg 6/14 -; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 21; zu weitgehend Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zu VgV, 2017, § 56 Rn. 31). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Bieterin hat ihre „Referenzliste“ vollständig ihrem Angebot beigefügt, ohne dass Bestandteile dieser Liste körperlich fehlten.

Dem Auftraggeber ist es auch verwehrt, die in den Eigenerklärungen fehlenden Einzelangaben zu den Jahresreinigungsflächen nachzufordern, weil sie damit eine von § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nicht mehr gedeckte inhaltliche Nachbesserung ihrer Eigenerklärungen ermöglichte.

Zwar erlaubt § 56 Abs. 2 S. 1 VgV nach seinem Wortlaut die Korrektur fehlerhafter Unterlagen, worunter auch die Nachreichung von Einzelangaben in geforderten Eigenerklärungen zählen könnte. Ein solches weites Verständnis ist jedoch mit der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift unvereinbar.
Die in § 56 Abs. 2 VgV getroffene Regelung dient der Umsetzung von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU und überführt Teile des bisherigen § 19 EG Abs. 2 S. 1 VOL/A (BR-Drs. 87/16, S. 209). Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU eröffnet die Möglichkeit, unvollständige oder fehlerhafte Informationen oder Unterlagen zu übermitteln, zu ergänzen, zu erläutern oder zu vervollständigen, sofern diese Aufforderungen unter voller Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung erfolgen. Hiernach sieht der Wortlaut von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie eine Korrektur fehlerhafter Unterlagen bzw. die Aufforderung des öffentlichen Auftraggebers, fehlerhafte Unterlagen zu korrigieren, nicht vor (Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -). Es ist dort lediglich von ergänzen, erläutern und vervollständigen (in der englischsprachigen Version: to submit, supplement, clarify or complete; in der französischen Sprachversion: présenter, completer, clarifier ou preciser) die Rede. Eine Unterlage ist zu übermitteln, zu ergänzen oder zu vervollständigen, wenn sie nicht oder nicht vollständig vorgelegt wird oder in formaler Hinsicht nicht den Anforderungen genügt (fehlende Unterschrift oder Beglaubigung). Eine Unterlage ist zu erläutern, wenn sie unklar oder widersprüchlich ist. Eine Unterlage, die in formaler Hinsicht vollständig übermittelt und verständlich ist, aber ihrem Inhalt nach nicht den Anforderungen genügt, kann zwar als fehlerhaft bezeichnet werden. Jedoch handelt es sich begrifflich nicht mehr um eine Ergänzung, Erläuterung oder Vervollständigung der Unterlagen, wenn der in der Unterlage dokumentierte Erklärungsinhalt nachträglich geändert wird (Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. August 2019, 15 Verg 10/19; OLG München, Beschluss vom 28. Juli 2018, Verg 2/18 -; Scharf in Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV/UVgO, 2. Auflage 2019, § 56 VgV Rn. 75; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 56 VgV Rn. 23; Dittmann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zu VgV, 2017, § 56 Rn. 32, und VergabeR 2017, 285, 287; kritisch Tegeler/Einmahl, VergabeR 2020, 549 ff.; großzügiger wohl auch Haak/Hogeweg, Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 56 VgV Rn. 41 und Voppel in ders/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Auflage 2018, § 56 Rn. 27).
Auch aus Gründen der Gleichbehandlung der Bieter, die alle gleichermaßen unter dem zeitlichen Druck der fristgerechten Angebotserstellung stehen, der Rechtsklarheit und der Handhabbarkeit der Vorschrift in der täglichen Praxis der Vergabestellen sind daher lediglich die Behebung „offensichtlicher sachlicher Fehler“ und „offensichtlich gebotene Klarstellungen“ in einzelnen Punkten zulässig, vorausgesetzt die Änderung läuft nicht darauf hinaus, dass in Wirklichkeit ein neues Angebot eingereicht wird (EuGH, Urteile vom 7. April 2016, Rs. C-324/14, Rn. 62 ff., und vom 29. März 2012, Rs. C-599/10, Rn. 40; Senatsbeschluss vom 28. März 2018 – Verg 42/17), beziehungsweise der Inhalt einer unternehmensbezogenen Unterlage verändert wird.

Ausgehend von den genannten Maßstäben ist eine Nachforderung der Angaben zu den Jahresreinigungsflächen der Referenzprojekte unstatthaft.

Die von der Bieterin vorgelegte Referenzliste darf nicht durch die nachträgliche Bekanntgabe der Jahresreinigungsflächen korrigiert werden. Die mit dem Angebot eingereichte Referenzliste ist inhaltlich klar und enthielt keine offensichtlichen sachlichen Fehler oder Unklarheiten. Es fehlen lediglich zu allen drei Referenzprojekten die geforderten Angaben der Jahresreinigungsflächen.

In einem solchen Fall würde die Ergänzung der Referenzliste um die geforderten Angaben nicht zu einer zulässigen Beseitigung von Unklarheiten führen, sondern auf eine unzulässige Korrektur und Nachbesserung der Unterlage hinauslaufen.

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An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen

 

von Thomas Ax

An Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 2021 – Verg 48/20, und vom 15. Januar 2020 – Verg 20/19 -; OLG Dresden, Beschluss vom 6. Februar 2002, WVerg 4/02 -; OLG München, Beschluss vom 7. August 2007, Verg 8/07 -). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (Senatsbeschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Juli 2010, 11 Verg 5/10 -). Der Antragsteller muss dann lediglich tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (Senatsbeschluss vom 16. August 2019 – Verg 56/18; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2007, Verg 6/07 -). Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2020 – Verg 20/19 -; OLG München, Beschluss vom 2. August 2007, Verg 7/07 -).

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Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen

 

von Thomas Ax

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Beurteilung der Eignung ein Spielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2021 – Verg 38/20; vom 12. Juni 2019 – Verg 52/18 -; vom 17. Februar 2016 – Verg 41/15 -, und vom 17. Dezember 2012 – Verg 47/12 -; OLG München, Beschluss vom 5. November 2009, Verg 13/09 -; Dittmann in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2016, § 57 VgV Rn. 120).

Seine Eignungsprognose darf und soll der öffentliche Auftraggeber gemäß § 48 Abs. 2 S. 1 VgV in der Regel auf Eigenerklärungen stützen. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen. Für die Entscheidung, ob Bewerber oder ein Bieter auf Grund seiner Eigenerklärungen als geeignet bzw. ungeeignet zu beurteilen ist, ist demnach nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren.

Nur wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und in eine erneute Eignungsprüfung einzutreten (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2018 – Verg 19/18 – [zur Preisprüfung] und vom 2. Dezember 2009 – Verg 39/09 -; Mager in Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Auflage 2019, § 48 VgV Rn. 30; Goldbrunner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 48 VgV Rn. 8).

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OLG Celle: Vertragsentwurf „nachgeschoben“: Kein Vertrag zu Stande gekommen

 

vorgestellt von Thomas Ax

Zur Auslegung eines Zuschlagsschreibens, mit dem der Bieter in einem förmlichen Vergabeverfahren gebeten wird, eine Vertragsausfertigung, die nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen war, umgehend unterzeichnet zurückzusenden.
OLG Celle, Urteil vom 29.12.2022 – 13 U 3/22
vorhergehend:
LG Hannover, 15.11.2021 – 7 O 251/18

Gründe

I.

Das klagende Land verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen B. für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2019.

Zwischen den Parteien steht im Streit, ob zwischen dem Kläger und der ehemaligen Beklagten zu 1, einer aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehenden Bieter-/Arbeitsgemeinschaft, ein Vertrag über die von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr förmlich ausgeschriebenen Dienstleistungen zustande gekommen ist.

Zu der europaweiten Ausschreibung (s. Ausschreibungsunterlagen Anlage K 2, Bl. 8 ff. Anlbd. K) gab die aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Bietergemeinschaft unter dem 9. Februar 2015 ein Angebot ab (Anlage K 1, Anlbd. K).

Mit Zuschlagsschreiben vom 17. März 2015 (Anlage K 3, Bl. 35 ff. Anlbd. K) erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, dass den Beklagten der Zuschlag erteilt werde. Sie forderte die Beklagten auf,

„mit der Ausführung der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen.“

Weiter heißt es:

„Sie werden gebeten, umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurück zu senden:

– Eine Ausfertigung des Vertrags mitsamt Anlagen

– Mitteilung über die Projektleitung“

Dem per Einschreiben an die Beklagten übersandten Zuschlagsschreiben waren – wie in dem Kopf des Schreibens angegeben – u.a. zwei Vertragsausfertigungen nebst jeweils drei Anlagen beigefügt (Bl. 37R ff. Anlbd. K). Das Schreiben war zudem „vorab per Fax“ übersandt worden. Der Faxsendung waren die Anlagen noch nicht beigefügt.

Der Vertragsentwurf war nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen; die Beklagten erhielten diesen erstmals mit dem Zuschlagsschreiben.

Die Beklagten kamen der Bitte um Unterzeichnung der Vertragsausfertigungen nicht nach. Im Folgenden kam es zu Unstimmigkeiten über einen von den Beklagten gewünschten Vertragszusatz (Anlagen B 4, B 5 und B 6, Anlbd. B). Mit E-Mail vom 26. März 2015 bat der Kläger, den unterzeichneten Vertrag umgehend zurückzugeben und die Arbeiten vertragsgemäß am 1. April 2015 vor Ort aufzunehmen (Anlage B 5). Nachdem die Beklagten die Unterzeichnung des „Vertragsvorschlags“ ablehnten (Anlage B 6), erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit Schreiben vom 27. März 2015, nach Rücksprache mit ihrer Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend notwendig, es sei bereits ein Vertrag auf der Grundlage des Angebots zustande gekommen (Anlage K 4, Bl. 49 d.A.). Die Beklagten erwiderten mit E-Mail vom gleichen Tag, dass nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei (Anlage K 5, Bl. 50 d.A.).

Das Landgericht hat das Verfahren hinsichtlich der (ehemaligen) Beklagten zu 1 abgetrennt und an das Landgericht Braunschweig verwiesen.

Die Beklagten zu 2 und 3 (fortan als Beklagte bezeichnet) hat das Landgericht antragsgemäß „als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 1“ zur Zahlung von 488.672,29 Euro verurteilt. Die Beklagten hätten dem Kläger die durch eine anderweitige Beauftragung der Sicherheitskontrollen entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Das von den Beklagten als Bietergemeinschaft abgegebene Angebot habe der Kläger durch die Zuschlagserklärung vom 17. März 2015 unverändert angenommen. Es liege kein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor. Der Kläger habe klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass der Vertrag gemäß dem Angebot der Beklagten zur Durchführung gelangen solle. Es stelle keine Annahme unter Änderungen im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, dass der Kläger in dem Schreiben gefordert habe, einen beigefügten Vertragsentwurf unterzeichnet zurückzusenden. Im Streitfall werde die Durchführung des Vertrages nicht von der Unterzeichnung des Vertrages abhängig gemacht, was sich daraus ergebe, dass der Kläger der Bitte um Unterzeichnung des Vertragsentwurfs die Aufforderung vorangestellt habe, mit der Ausführung der Leistung ab dem 1. April 2015 zu beginnen. Der Vertragsentwurf enthalte auch keine inhaltlichen Änderungen des Angebots der Bietergemeinschaft. Insbesondere enthalte der Vertragsentwurf keine Änderung der angebotenen bzw. im Aufklärungsverfahren genannten Preise. Wegen der Leistungsverweigerung der Beklagten könne der Kläger – bis zu der von ihm wirksam erklärten Kündigung – Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB und – nach der Kündigung – gemäß § 314 BGB verlangen. Insoweit könne er die für die Deckungsgeschäfte geltend gemachten Mehrkosten beanspruchen. Diese hätten die Beklagten nicht wirksam bestritten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten zu 2 und 3, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehren (Bl. 391 d.A.). Das vom Landgericht angenommene Vertragsverhältnis des Klägers mit den Beklagten bestehe schon deshalb nicht, weil nicht diese das Angebot abgegeben hätten, sondern die ehemalige Beklagte zu 1. Es handele sich um ein unzulässiges verdecktes Teilurteil, weil das Landgericht den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage gegen die Beklagte zu 1 an das Landgericht Braunschweig verwiesen und die rechtskräftige Entscheidung jenes Rechtsstreits nicht abgewartet habe. Durch das Zuschlagsschreiben des Klägers sei kein Vertrag zustande gekommen, weil sich das Angebot der Beklagten zu 1 und die Annahme nicht deckten. Der Vertragsentwurf des Klägers sei von dem Angebot der Beklagten zu 1 nicht umfasst gewesen, weil er der Auftragsbekanntmachung des Klägers nicht beigefügt gewesen sei. Die Annahmeerklärung des Klägers habe die Regelungen des beigefügten Vertragstextes beinhaltet. Dieser enthalte Regelungen, die nicht Gegenstand des Angebotes gewesen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ändere die Aufforderung des Klägers, mit der Ausführung der Leistung zu beginnen, nichts daran, dass gemäß § 150 Abs. 2 BGB bei einer Abweichung von Angebot und Annahme kein Vertrag zustande komme. Zudem ergebe sich aus § 154 Abs. 2 BGB, dass im Zweifel der Vertrag erst mit der Unterzeichnung der schriftlichen Urkunde zustandekommen solle. Zu der Annahme des neuen Angebots des Klägers sei es nicht gekommen. Der Kläger habe auch die Vorschläge der ehemaligen Beklagten zu 1 abgelehnt. Zudem sei auch die Schadensfeststellung des Landgerichts in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft, wie die Beklagten näher ausführen.

Die ehemalige Beklagte zu 1 hat ihre Berufung zurückgenommen, nachdem der Senat sie darauf hingewiesen hat, dass sie durch das angefochtene Urteil nicht beschwert und ihre Berufung mithin unzulässig sei.

Die Beklagten zu 2 und 3 beantragen (Bl. 391, 507 d.A.),

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 15. Dezember 2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Klage hinsichtlich der Zinsforderung zurückgenommen, soweit er erstinstanzlich Zinsen von mehr als 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt hat (Bl. 441 f. d.A.).

Im Übrigen beantragt der Kläger (Bl. 362, 508 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Der Vertrag sei durch das Zuschlagsschreiben zustande gekommen. Mit der Aufforderung zur Leistungsaufnahme sei der rechtsgeschäftliche Erklärungsinhalt des Schreibens beendet. Die in dem Schreiben genannten und beigefügten Unterlagen seien nicht Bestandteil der Annahmeerklärung. Die Unterlagen hätten schon deshalb nicht Bestandteil der Annahmeerklärung sein können, weil sie bei der Vorab-Übersendung des Schreibens per Fax nicht beigefügt gewesen seien. Die Einwendungen der Beklagten hinsichtlich der Schadensfeststellung griffen nicht durch.

Auf einen Hinweis des Senats zum voraussichtlichen Erfolg der Berufung führt der Kläger ergänzend aus, es habe zwangsläufig keine Abweichung von Angebot und Annahme erkannt werden können, weil das Zuschlagsschreiben zunächst per Fax ohne Anlagen übersandt worden sei. Daher sei der Vertrag mit dem Inhalt des Zuschlagsschreibens zustande gekommen. Zugleich werde aus der bloßen Übersendung des Zuschlagsschreibens deutlich, dass es dem Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht auf den Inhalt des Vertragstextes angekommen sei, folglich nur eine Vertragsannahme habe erklärt und kein neues Angebot habe abgegeben werden sollen. Hierfür spreche auch die Aufforderung des Klägers, mit der Erbringung der Leistungen ab dem 1. April 2015 zu beginnen. Der Kläger habe mit dem Zuschlagsschreiben keine Änderungswünsche zum Ausdruck gebracht. Bei dem Vertrag handele es sich um ein Dauerschuldverhältnis, bei dem bestimmte Handhabungen in der vertraglichen Umsetzung noch einer näheren Ausgestaltung unter Beachtung des LuftSiG bedurft hätten. So hätten die Regelungen zur Haftpflichtversicherung lediglich die Modalitäten zur Erfüllung einer bereits in der Leistungsbeschreibung definierten Verpflichtung enthalten. Auch der Regelung zur Erstellung einer Dienstanweisung käme lediglich erläuternder Charakter zu. Die Regelungen zur Rufbereitschaft würden durch den Vertragsentwurf allenfalls näher – und für den Auftragnehmer vorteilhaft – ausgestaltet. Die Regelung hinsichtlich des Dienstraums beziehe sich auf eine Selbstverpflichtung des Klägers. Insgesamt seien mit dem Vertragstext keine Änderungswünsche des Klägers gegenüber dem Inhalt der Ausschreibungsunterlagen zum Ausdruck gekommen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die – unzulässige – Berufung der Beklagten zu 1 ist durch Rücknahme erledigt. Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2 und 3 ist begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO); die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

I.

Allerdings ist im Berufungsverfahren die Frage der von den Beklagten in ihrer Berufungsbegründung gerügten örtlichen Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen (§ 513 Abs. 2 ZPO).

II.

Es liegt auch kein unzulässiges Teilurteil vor. Das Landgericht hat – nach Abtrennung und Verweisung der Klage gegen die bisherige Beklagte zu 1 – vollständig über den verbliebenen Streitgegenstand entschieden.

III.

Die Klage ist jedoch unbegründet

Der Kläger kann von den Beklagten zu 2 und 3 keinen Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) verlangen. Denn es ist kein Vertrag mit der Bietergemeinschaft oder den Beklagten zu 2 und 3 als deren Mitgliedern zustande gekommen.

1. Das Angebot der Bietergemeinschaft bzw. der Beklagten zu 2 und 3 hat der Kläger nicht wirksam angenommen.

Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Inhalt die vorbehaltlose Akzeptanz des Antrags zum Ausdruck bringen muss. Ob eine dahingehende Willenserklärung vorliegt, ist in Zweifelsfällen durch Auslegung nach dem Empfängerverständnis zu ermitteln (BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed. 1.8.2022, § 146 Rn. 9). Wird das Vertragsangebot dagegen unter Änderungen angenommen, handelt es sich gemäß § 150 Abs. 2 BGB nicht um eine Annahme, sondern um ein neues Angebot.

Im Streitfall ist das Zuschlagsschreiben des Klägers nicht als vorbehaltlose Annahme, sondern als neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB anzusehen.

a) Grundlage der Auslegung der Willenserklärung des Klägers ist sein vollständiges Zuschlagsschreiben mit Anlagen.

Die mit dem Schreiben abgegebene Willenserklärung wurde erst wirksam, als den Beklagten das Zuschlagsschreiben vollständig – mit Anlagen – per Post zuging (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Anlagen werden in dem Zuschlagsschreiben ausdrücklich aufgeführt und es wird um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung gebeten. Mit dem „Vorab“-Fax war das Zuschlagsschreiben aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten noch nicht vollständig übersandt worden, weil die erwähnten Anlagen nicht beigefügt waren. Die Anlagen sind Bestandteil des Zuschlagsschreibens; die Beklagten konnten ohne die ihnen unbekannte Vertragsausfertigung nicht beurteilen, mit welchem Inhalt nach dem Willen des Klägers ein Vertrag zu Stande kommen soll und wie die Bitte um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung in diesem Zusammenhang zu verstehen sein sollte.

Auch der auf dem Schreiben angebrachte Vermerk „vorab per Fax“ verdeutlichte aus der Sicht der Beklagten, dass das per Einschreiben mit den Anlagen übersandte Original des Zuschlagsschreibens die maßgebliche Willenserklärung darstellen sollte und das ohne die Vertragsausfertigung übersandte Fax lediglich der Vorabinformation über die Zuschlagserteilung dienen sollte.

b) Mit dem Zuschlagsschreiben hat der Kläger das Angebot der Bietergemeinschaft nicht unverändert angenommen, sondern gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot mit dem Inhalt der übersandten Vertragsausfertigung erteilt.

aa) Der Vertragsentwurf weicht von dem auf den Ausschreibungsunterlagen beruhenden Angebot der Beklagten ab.

Der Vertragsentwurf enthält verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise wiederfinden (z.B. in Bezug auf die Regelung der Rufbereitschaftszeiten, wonach eine Einsatzbereitschaft binnen 30 Minuten sicherzustellen ist (§ 4 Abs. 2); die Verpflichtung zu einer – mit der Behörde abgestimmten – Dienstanweisung (§ 6 Abs. 1); die Frist zur Vorlage eines Versicherungsnachweises und die jährliche Vorlagepflicht (§ 12 Abs. 3)).

Auch der Kläger hat letztlich nicht in Abrede genommen, dass der Vertragsentwurf Abweichungen von dem Angebot der Beklagten enthält. Dass der Kläger die Abweichungen in den vom Senat beispielhaft aufgeführten Regelungen als geringfügig ansieht, ändert nichts an der Beurteilung. Soweit die Annahmeerklärung eine inhaltliche Änderung darstellt, ist deren Art und Ausmaß unerheblich (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 30).

Darüber hinaus ist entgegen der Auffassung des Klägers gerade auch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertragsentwurfs, wonach sicherzustellen ist, dass während der Rufbereitschaftszeiten die Kontrollstelle innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit besetzt ist, von erheblicher Bedeutung. Denn hierdurch wurden besondere organisatorische Anforderungen an die Beklagten gestellt. Die in Rufbereitschaft befindlichen Einsatzkräfte müssen sich in einer solch geringen Distanz zum Flughafen aufhalten, dass sie jederzeit innerhalb von nur 30 Minuten die Kontrollstelle erreichen können und dort einsatzbereit sind. Das würde es zum Beispiel ausschließen, dass entfernter wohnende Mitarbeiter der Beklagten sich während der Rufbereitschaft zu Hause aufhalten.

bb) Mit der Bitte um umgehende Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung brachte der Kläger unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck, dass der Vertrag mit dem Inhalt dieses Vertragsentwurfs zustande kommen soll. Auslegungsbedürftig war aus Sicht der Beklagten lediglich, was nach dem Willen des Klägers gelten sollte, wenn die Beklagten den angebotenen Vertrag nicht akzeptieren (hierzu nachfolgend).

cc) Die Annahme mit den in dem Vertragsentwurf enthaltenen – und für einen Bieter erkennbaren – Änderungen stellt grundsätzlich ein neues Angebot im Sinne des § 150 Ab. 2 BGB dar. Im Streitfall besteht keine Grundlage für eine abweichende Beurteilung.

Bei einer Annahme mit Änderungen handelt es sich nur dann nicht um ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB, wenn der Antragsempfänger deutlich macht, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll. Nur in einem solchen Fall würde es sich um eine Annahme des ursprünglichen Antrags handeln, der mit dem Angebot zur Vertragsergänzung oder -änderung zu verbunden wird (BeckOGK/Möslein, 1.2.2018, BGB § 150 Rn. 29).

Im Streitfall war aus Sicht eines objektiven Empfängers jedoch nicht davon auszugehen, dass der Kläger das Angebot der Beklagten zunächst einmal vorbehaltlos annehmen und ihnen dann sogleich den Abschluss eines Änderungsvertrages anbieten wollte. Vielmehr war aus Sicht der Beklagten nichts dafür ersichtlich, dass es ihnen freistehen sollte, ob sie den Vertragsentwurf unterzeichnen, und der Vertrag ansonsten bereits mit dem Inhalt des Angebots – ohne die inhaltlichen Änderungen des Vertragsentwurfs – zustande gekommen sein sollte.

Weder dem Zuschlagsschreiben noch dem Vertragsentwurf ist zu entnehmen, dass es sich lediglich um einen optionalen Änderungsvertrag zu einem bereits mit dem Zuschlag zustande gekommenen Vertrag handeln sollte. Schon nach seinem Wortlaut und äußeren Bild handelt es sich nicht lediglich um einen Änderungsvertrag.

Aus Sicht eines verständigen Bieters liegt es vielmehr auf der Hand, dass die Vergabestelle nicht ohne gewichtigen Grund einen derartigen Vertragsentwurf, der nicht Bestandteil der Ausschreibung war, „nachschiebt“. Deshalb ist es aus Sicht des Bieters gänzlich fernliegend, dass die Vergabestelle ihm die Entscheidung freistellen will, ob er den übersandten Vertragsentwurf mit den darin enthaltenen Änderungen akzeptiert, und die Verweigerung der Unterzeichnung keine Auswirkungen auf das Zustandekommen des Vertrages haben sollte. Vielmehr drängte sich aus Sicht des Bieters das Verständnis auf, dass der Vertrag nach dem Willen des Klägers nur zu den Bedingungen des übersandten Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der sensiblen, die Flugsicherheit betreffenden Vertragsmaterie eine genaue Fixierung der Vertragspflichten ersichtlich von besonderer Bedeutung ist.

Die Aufforderung, mit der Ausführung der Leistung ab dem 1. April 2015 zu beginnen, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Sie kann auch als Ausdruck der Erwartung angesehen werden, dass die Beklagten sich der erbetenen Unterzeichnung des Vertragsentwurfs nicht verschließen würden, um den Auftrag zu erhalten. Insofern kann diese formularmäßige Aufforderung (Ankreuztext) auch erfolgt sein, um den Beklagten einen gewissen Zeitdruck bei der erbetenen „umgehenden“ Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung zu verdeutlichen.

Es ändert auch nichts an der Beurteilung, dass der Kläger sein Zuschlagsschreiben „vorab per Fax“ übersandte und dem Fax die in dem Schreiben genannte Vertragsausfertigung noch nicht beigefügt war. Aus Sicht eines Empfängers war schon nicht ersichtlich, dass das Schreiben per Fax bewusst unvollständig übersandt wurde und es sich nicht um ein bloßes Versehen – möglicherweise einer Bürokraft – handelte. Aus dem auf dem Schreiben angebrachten Hinweis „vorab per Fax“ und der ebenfalls abgedruckten Verfügung ergibt sich nicht, dass eine Übersendung ohne Anlagen erfolgen sollte. Darüber hinaus konnte aus Sicht eines Empfängers die Fax-Übersendung ohne Anlagen auch darauf beruhen, dass es dem Kläger auf die Rücksendung der Vertragsausfertigungen im Original ankam. Jedenfalls war es aber auch unter Berücksichtigung der unvollständigen Fax-Übersendung des Zuschlagsschreibens aus Sicht des Empfängers gänzlich fernliegend, dass der Kläger einen solch detailliert ausgearbeiteten Vertragsentwurf übersendet, dessen Akzeptanz durch die Beklagten aber letztlich ohne Bedeutung für das Zustandekommen des Vertrages sein soll. Vielmehr wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass der Kläger klarstellt, dass bereits mit dem Zuschlagsschreiben der Vertrag zustande kommen soll, und er erläutert, warum dann trotzdem noch ein Vertrag mit teilweise abweichenden Bedingungen unterzeichnet werden soll.

Im Übrigen spricht der nachfolgende Schriftwechsel dafür, dass der Kläger selbst sein Zuschlagsschreiben zunächst nicht in dem Sinn verstanden hat, den er dem Schreiben nun im Wege der Auslegung zukommen lassen will. Trotz der aufgekommenen Unstimmigkeiten bat der Kläger zunächst nochmals um umgehende Rückgabe des unterzeichneten Vertrages. Erst nach der Ablehnung der Beklagten gelangte der Kläger – nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung – zu der Auffassung, dass eine Unterzeichnung des Vertrags nicht zwingend notwendig sei (Anlage K 4, Bl. 49 Anlbd. K).

Die von dem Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 3. Juli 2020 – VII ZR 144/19 – und vom 6. September 2012 – VII ZR 193/10) führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Sie betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Werkvertrag in einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zustande kommt, wenn die ausgeschriebenen Ausführungsfristen nicht mehr einzuhalten sind. In einem förmlichen Vergabeverfahren kann hier im Zweifel davon ausgegangen werden, dass sich der Auftraggeber vergaberechtskonform verhalten will und das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot beachtet (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08BGHZ 181, 47-65, Rn. 39). Denn mit diesen Fällen kann ohne Weiteres vergaberechtskonform – ohne Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot – umgegangen werden. Es besteht eine gefestigte Rechtsprechung dazu, wie die entsprechende Regelungslücke vergaberechtskonform geschlossen werden kann (aaO, Rn. 44). Im Streitfall bestand jedoch von vornherein keine Möglichkeit, den Abschluss des Vertrags zu den von dem Kläger gewünschten Bedingungen seines Vertragsentwurfs vergaberechtskonform zu erreichen. Unabhängig von der Auslegung des Zuschlagsschreibens als neues Angebot des Klägers oder als Annahme, die mit dem Angebot eines Änderungsvertrags verbunden wird, war es per se vergaberechtswidrig, dass nach dem Willen des Klägers der Vertrag zu den von der Ausschreibung abweichenden Bedingungen des Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Der Grundsatz der vergaberechtskonformen Auslegung kann daher insoweit nicht zum Tragen kommen.

b) Mit dem neuen Angebot des Klägers galt das Angebot der Beklagten gemäß § 150 Abs. 2 BGB als abgelehnt. Daher erlosch es gemäß § 146 BGB, sodass es nicht mehr durch die nachfolgende Erklärung des Klägers, nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend erforderlich, angenommen werden konnte.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob außerdem das Unterbleiben der von dem Kläger verlangten Unterzeichnung des Vertrages in entsprechender Anwendung von § 154 Abs. 2 BGB zu einem Beurkundungsmangel geführt hätte (vgl. zum Streitstand bei von einer Partei verlangter Beurkundung: BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed. 1.8.2022, § 154 Rn. 15).

3. Schließlich ändert es auch nichts an der Beurteilung, dass die Beklagte – nach der von dem Kläger erklärten Kündigung – mit Schreiben vom 24. August 2018 (Anlage K 10, Bl. 56R f. Anlbd. K) zwischenzeitlich die unzutreffende Rechtsansicht vertrat, es sei mit dem Zuschlag ein Vertrag zustande gekommen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 516 Abs. 3 ZPO.

Die Beklagte zu 1 hat nach ihrer Berufungsrücknahme gemäß § 516 Absatz 3 ZPO ihre außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu tragen. Weil durch die von ihr eingelegte Berufung keine Mehrkosten in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers entstanden sind, waren ihr diese Kosten nicht anteilig aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO ist nicht veranlasst. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich – dann erstattungsfähig

 

von Thomas Ax

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Erstattung von Kosten für einen privat beauftragten Sachverständigen in Betracht, wenn diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendig waren (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2006 – VI ZB 7/05). Die Beurteilung dieser Frage hat sich dabei daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich hätte ansehen dürfen (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002 – VI ZB 56/02; Beschluss vom 26. Februar 2013 – VI ZB 59/12). Danach kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Beteiligter infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist (vgl. BGH aaO.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2012 – II-4 WF 11/12BeckRS 2012, 12070). Diese Ausnahme ist insbesondere auf Zivilverfahren zugeschnitten, in denen es den Parteien nach dem sogenannten Beibringungsgrundsatz obliegt, substantiiert die gebotenen Tatsachen und Informationen vorzutragen, die als Grundlage für die Entscheidung des Gerichts erforderlich sind (vgl. hierzu Herget in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 91 ZPO, Rn. 13.73).

In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungsfähigkeit entsprechender Aufwendungen zwar insoweit eingeschränkt, dass es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigengutachten durchzuführen.

Die Rechtsprechung hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, AZ: 8 W 481/01, Tn. 6, sowie Beschluss vom 11.07.2007, AZ: 8 W 265/07 Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.02.1997, AZ: 10 W 21/97 Rn. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Rn. 14; OLG Naumburg, Beschluss vom 30.08.2006, AZ: 10 W 52/06, Rn. 11; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Rn. 3) oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient (OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2013 – 25 W 94/13 mwN).

Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 18. Juni 2001, aaO) hat die Erstattung prozessbegleitender Privatgutachterkosten in einem Bauprozess abgelehnt, ebenso das OLG Koblenz (Beschluss vom 21. August 2007, aaO), wenn keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Partei nicht selbst qualifizierten Vortrag halten kann, so dass ein Gerichtsgutachten zu den streitigen Fragen einzuholen ist. Ähnlich hat das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30. August 2006, aaO.) darauf abgestellt, dass eine Partei grundsätzlich die für den Vermögensverfall maßgeblichen Tatsachen selbst vortragen könne und die Beweiserhebung im Übrigen Sache des Gerichts sei. Das OLG Celle, 2. Zivilsenat (Beschluss vom 25. Juli 2008, aaO) hat betont, dass zu dem Erfordernis eines Privatgutachtens substantiiert vorzutragen und dabei jede Partei gehalten sei, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse. Es gelte das Gebot sparsamer Prozessführung.

Nach alledem müssen Gründe ersichtlich sein oder vorgetragen werden, wonach die zusätzlich zum Gerichtsgutachten begehrte Einholung eines Privatgutachtens erforderlich wäre.

Es müssen, OLG Nürnberg (Beschluss vom 18. Juni 2001, aaO), für die Erstattung prozessbegleitender Privatgutachterkosten in einem Bauprozess, ebenso OLG Koblenz (Beschluss vom 21. August 2007, aaO), Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass die Partei nicht selbst qualifizierten Vortrag halten kann, so dass ein Gerichtsgutachten zu den streitigen Fragen einzuholen ist. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30. August 2006, aaO.) darf es nicht so sein, dass die Partei grundsätzlich die für den Vermögensverfall maßgeblichen Tatsachen selbst vortragen kann. Das OLG Celle, 2. Zivilsenat (Beschluss vom 25. Juli 2008, aaO) hat betont, dass zu dem Erfordernis eines Privatgutachtens substantiiert vorzutragen und dabei jede Partei gehalten sei, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lasse. Es gelte das Gebot sparsamer Prozessführung.

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Vergaberecht: Vertragsklauseln müssen kaufmännisch vernünftige Kalkulation ermöglichen

 

von Thomas Ax

Grundsätzlich werden Vertragsklauseln wie Regelungen in einer Leistungsbeschreibung, die Bestandteil des ausgeschriebenen Auftrags wird, von den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da sie keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB sind.

Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 6. September 2017 – Verg 9/17 -; vom 19. Oktober 2015 – Verg 30/13 -, und vom 13. August 2008 – Verg 42/07 -).

Eine solche Anknüpfungsnorm ist hier das aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB) herzuleitende Verbot der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2021 – Verg 1/20, und vom 21. Dezember 2020 – Verg 36/20; OLG Koblenz, VergabeR 2013, 229, 232; OLG Schleswig, VergabeR 2013, 395 Rn. 57).

Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen und damit den Bieter entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch im Vergaberecht und im Stadium der Vertragsanbahnung Anwendung findet, unangemessen belasten.

Ob eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation gemessen an diesen Maßstäben unzumutbar ist, bestimmt sich nach dem Ergebnis einer Abwägung aller Interessen der Bieter bzw. Auftragnehmer und des öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2021 – Verg 1/20, und vom 7. September 2003 – Verg 26/03).

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Umfang des Rechts auf Akteneinsicht

 

von Thomas Ax

Das Recht auf Akteneinsicht besteht in dem Umfang, in dem es zur effektiven Durchsetzung subjektiver Rechte erforderlich ist, was nur bezüglich entscheidungsrelevanter Aktenbestandteile gilt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021, Verg 9/21). Akteneinsicht ist zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen geboten ist. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf rechtliches Gehör, der eine Kenntnis der Akten als Entscheidungsgrundlage erfordert, und dem Schutz von Geheimnissen.

Diese Interessen sind gegeneinander abzuwägen.

Akteneinsicht ist in dem Umfang zu gewähren, der zur Durchsetzung des objektiven Rechts, bezogen auf das konkrete Rechtsschutzziel, notwendig ist, soweit keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (OLG München, NZBau 2016, 591, 592, Rn. 27 f.; OLG Celle, NZBau 2014, 784, 789, Rn. 72; Vavra/Willner in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl., § 165 GWB, Rn. 18 f,).

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