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VergMan ® für öffentliche Auftraggeber – wir eröffnen öffentlichen Auftraggebern die entscheidenden Wertungsspielräume (2)

 

Öffentliche Auftraggeber beschaffen Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Die Auftraggeber berücksichtigen bei der Wertung der Angebote entsprechend der bekannt gegebenen Gewichtung vollständig und ausschließlich die Kriterien, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind. Der Grundsatz des Transparenzgebotes bedeutet, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar und eindeutig in der Vergabebekanntmachung, konkreter allerdings noch in den Vergabeunterlagen zu formulieren sind. Alle ausreichend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter sollen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können. Der Auftraggeber soll tatsächlich überprüfen können, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C‑6/15; EuGH Urteil vom 10.05.2012 – C-368/10; OLG Celle, Urteil vom 23.02.2016, 13 U 148/15). 

Es gibt geschlossene Bewertungssysteme und offene Wertungssysteme.

Bei den geschlossenen Bewertungssystemen steht bereits mit Erstellung der Vergabeunterlagen konkret und anhand objektiv überprüfbarer Werte fest, für welchen Leistungswert der Auftraggeber die höchstmögliche Punktzahl vergeben will. Bei den offenen Bewertungssystemen ist dies nicht der Fall, weil der Auftraggeber sich sachlich begründet vorbehält, erst nach Eingang der Angebote zu entscheiden, welches Angebot den vorab eindeutig beschriebenen Zuschlagskriterien am besten entspricht.

Offene Bewertungssysteme sind der Regelfall. Ein Beispiel für ein übliches offenes Bewertungssystem ist die Wertung des Preises nach dem üblichen und hier auch vom Antragsgegner angewandten System, dass das niedrigste Angebot die volle Punktzahl erhält, ein fiktives Angebot, welches einen vorab abstrakt definierten, aber erst nach Vorliegen der Angebote eindeutig bestimmbaren Wert erreicht, also z.B. doppelt so hoch ist wie das niedrigste Angebot, 0 Punkte erhält (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2015, 13 Verg 1/15). Alle anderen Preise, die dazwischen liegen dürften, werden linear interpoliert.

Beim offenen Bewertungssystem weiß der öffentliche Auftraggeber vorab nicht, welcher Bestwert erzielt werden wird, also im Beispiel wie niedrig der geringste Preis sein wird. Er muss aber vorab und transparent einen Bewertungsmaßstab aufstellen, der bereits eindeutig festgelegt, in welcher Abstufung die Angebote zueinander gewertet werden. Der Auftraggeber bestimmt mit der Festlegung des Wertes, für den 0 Punkte vergeben werden (das Doppelte {wie im vorliegenden Fall} oder auch nur das 1,5fache), darüber, wie steil er zwischen den eingehenden Preisen abstufen wird.

Die Abstufung der vergleichbaren Leistungswerte in den jeweiligen Angeboten zueinander ist mindestens ebenso wichtig, wie die Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander, was aber von der Rechtsprechung häufig übersehen wird. Ein erheblich gewichtetes Zuschlagskriterium, welches also zum Beispiel mit 50 % in die Wertung einfließen soll, kann nahezu bedeutungslos bleiben, wenn die vorgesehene Abstufung zwischen den eingehenden Angeboten so flach gewählt wird, dass auch ein in diesem Kriterium deutlich weniger wirtschaftliches Angebot nur unwesentlich weniger Punkte erhält, als das optimale Angebot. Ein Zuschlagskriterium mit einer geringen Gewichtung und einer hohen Abstufungstiefe kann zuschlagsrelevanter sein als ein Zuschlagskriterium mit einer hohen Gewichtung und einer geringen Abstufungstiefe.

Der Bieter kann aufgrund der mitgeteilten Faktoren der Gewichtung und Abstufungstiefe daher vorab nicht absolut, aber dennoch verlässlich erkennen, welche Folgen also im Beispiel ein das Mindestgebot überschreitender Preis hat, wie wichtig es ist, möglichst knapp zu kalkulieren. Das ist beim Preis und allen objektiv messbaren und linear interpolierbaren Werten wie Verbrauchswerten einfach.

Die Anwendung eines geschlossenen Bewertungssystems auf das Zuschlagskriterium Preis würde bedeuten, dass alle Angebote, die einen bestimmten aus den Vergabeunterlagen offen erkennbaren Preis unterschreiten, die volle Punktzahl erhalten. Der Auftraggeber würde bei einem geschlossenen Bewertungssystem danach abgeschichtet bestimmte Preisstufen benennen, die jeweils weniger Punkte erhalten. Das geschlossene Bewertungssystem dämpft beim Zuschlagskriterium Preis den Wettbewerb, weil niemand ein Interesse daran hat, einen niedrigeren Preis anzubieten als den vorab genannten Preis, der die volle Punktzahl erzielt.

Geschlossene Bewertungssysteme bieten sich an, wenn der Auftraggeber nicht das beste Ergebnis, sondern lediglich die Erfüllung bestimmter technischer Kennwerte fordert. Diese Kennwerte kann der Auftraggeber durchaus ambitioniert festlegen. Der öffentliche Auftraggeber hat aber kein Interesse daran, dass der für die Höchstpunktzahl vorgesehene Kennwert überschritten wird. Geschlossene Bewertungssysteme sind ungeeignet, wenn es um linear beliebig variierbare Verbrauchswerte geht, die dem Auftraggeber so wichtig sind, dass er den Bestwert als Zuschlagskriterium gewichten möchte, oder wenn der Auftraggeber kreative Leistung miteinander vergleichen will, die vorab nicht ohne weiteres beschreibbar sind. Hierzu gehören insbesondere die hier, wie auch in den zuvor entschiedenen Fällen der OLG Düsseldorf und Celle, streitigen qualitativen Konzepte zur Leistungserbringung.

Die Vergabekammer hat bei ihrer Überprüfung der Wertung den Beurteilungsspielraum der Vergabestelle zu beachten. Gegenstand der Überprüfung ist allein, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und die Wertungsentscheidung sich im Rahmen der Gesetze und der allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe hält (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2016, 13 Verg 10/15; vgl. OLG München, Beschluss vom 05.04.2012 Verg 3/12; OLG München, Beschl. v. 7. Apr. 2011, Verg 5/11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7. Dez. 2009, VII-Verg 47/09, OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 24.02.2005 – Verg 88/04 – und vom 23.03.2005 – VII-Verg 68/04). Die Vergabekammer ist nicht Fachaufsichtsbehörde des Antragsgegners.

Die Anwendung offener Bewertungssysteme ist komplex, weil die zu bewertenden Leistungen nicht abschließend beschrieben werden können. Offene Bewertungen vorab nicht abschließend beschreibbarer Leistungen sind untrennbar mit einem subjektiven Element verbunden, weil es nicht möglich ist, die Wertschätzung, ob ein Projekt überaus fundiert dargestellt wird (9 – 10 Punkte), fundiert und gut dargestellt wird (7 – 8 Punkte), nachvollziehbar dargestellt wird (5 – 6 Punkte), nur teilweise nachvollziehbar dargestellt wird (3 – 4 Punkte), oder ob sich die Darstellung inhaltlich nicht mit der Thematik befasst (1 – 2 Punkte) von der Person des Bewertenden zu trennen. Dieser Effekt ist aus der Notengebung in der Schule, aber auch in der wissenschaftlichen Ausbildung, z.B. der Juristenausbildung, bekannt. Jeder Versuch, hier mehr Klarheit zu erzeugen, schafft mehr Worte im Begleittext der Vergabeunterlagen. Gerade bei der Bewertung von noch zu erstellenden Bieterkonzepten können detaillierte Vorgaben des Begleittextes problematisch sein, weil sie die Möglichkeiten der Bieter zur konzeptionellen Darstellung einschränken (VK Niedersachsen, Beschluss vom 04.10.2011 VgK 26/2011). Ein die Konzeptionsfreiheit nicht einengender Versuch, abstrakte Wertungskriterien konkret subsumierbar darzustellen, ist nicht geeignet, das subjektive Element der Bewertung zu beseitigen. Mehr Worte schaffen nicht mehr Vergabesicherheit.

Taugliche Instrumente zur Neutralisierung subjektiver Elemente sind nur die Bildung von Beurteilungsgremien (vgl. VK Niedersachsen Beschluss vom. 07.01.2014, VgK-40/2013), in denen sich die subjektiven Ansichten und Einflüsse vermutlich gegeneinander aufheben, oder die Einführung von Zweitbeurteilern, wie sie seit jeher im zweiten juristischen Staatsexamen und in Abiturprüfungen Anwendung finden.

Will der öffentliche Auftraggeber diese Unsicherheiten vermeiden, muss er auf ein geschlossenes Bewertungssystem ausweichen. Bei qualitativen Konzepten setzt dies voraus, dass der öffentliche Auftraggeber schon vorab weiß, welches Konzept im jeweiligen qualitativen Zuschlagskriterium das von ihm angestrebte Optimum darstellt. Der Auftraggeber erkundet den Markt allerdings selten, nämlich nur zu den Zeitpunkten der kommenden Vergabeentscheidung. Er kennt daher die aktuell in Anwendung befindlichen qualitativen Konzepte deutlich schlechter, als die Anbieter. Er ist daher gut beraten, das Optimum nicht vorab vorzugeben, sondern erst aufgrund der eingehenden und bei der Auswahl des Optimierungsziels frei gestaltbaren Angebote das Optimum auszuwählen. Das ist ihm nur möglich, wenn er ein offenes Bewertungssystem verwendet.

Wollte man die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschlüsse vom 16.12.2015, VII-Verg 24 15; vom 15.06.2016–VII Verg 49/15) oder auch die Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 23.02.2016 – 13 U 148/15) zum Anlass nehmen, dem öffentlichen Auftraggeber die – wie das OLG Düsseldorf selbst darstellt – weithin als statthaft geltende Verwendung offener Bewertungssysteme zu untersagen, würde dies nicht nur die Vergabepraxis vor die Aufgabe stellen, eine neue Bewertungssystematik zu entwickeln. Da es sich um allgemein anzuwendende Argumente handelt, müssten diese Argumente folgerichtig auch alle wertenden Prüfungsentscheidungen, in denen individuelle Leistungsabfragen gestellt werden, in Frage stellen. Als einzig legitimer Weg einer auch qualitativ anspruchsvollen Leistungsprüfung bliebe der Fragebogen mit offen oder verdeckt vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Im gesamten Ausbildungsrecht, aber auch im Dienstrecht wären die bisher verwendeten Benotungssysteme sofort zu verwerfen.

Die für die rechtliche Kontrolle dieser Systeme seit Jahrzehnten zuständigen und erfahrenen Fachgerichte haben die Richtigkeit und Brauchbarkeit abstrakter Wertungskriterien für inhaltlich nicht vorab abschließend beschreibbarer Leistungen nicht infrage gestellt, obwohl sie immer wieder Anwendungsdefizite feststellen (OVG Münster, Beschluss vom 29.08.2014 – Az. 6 B 788/14, fast alle Lehrer werden „sehr gut“ beurteilt; BAG, Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13, NJW 2015, 1128, zusammenfassend zur Anwendbarkeit von Schulnoten im Arbeitsrecht). Die Vergabekammer folgt dem, wie auch dem EuGH (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C‑6/15).

Der EuGH hat für ein ähnlich aber deutlich einfacher strukturiertes nur dreistufiges Bewertungsverfahren unter Rdnr. 27, 30 seiner Entscheidung dargestellt, weder Art. 53 Abs. 2 noch eine andere Vorschrift der Richtlinie 2004/18 begründe eine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, den potenziellen Bietern die Bewertungsmethode zur Kenntnis zu bringen, anhand deren er eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor in den Auftragsdokumenten festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt und eine Rangfolge für sie erstellt. Der öffentliche Auftraggeber müsse in der Lage sein, die Bewertungsmethode, die er zur Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, an die Umstände des Einzelfalls anzupassen. Damit widerspricht der EuGH der Auffassung des OLG Düsseldorf.

Das Vergaberecht soll einfach und anwenderfreundlich sein. Dazu bedarf es der Anknüpfung an bekannte und vertraute Methoden. Das wird nicht erleichtert, wenn ein weithin bekanntes und langfristig bewährtes Instrument der Bewertung in dem doch engen und der Öffentlichkeit unbekannten Segment des Vergaberechtes für unzulässig erklärt wird, obwohl die Rechtsprechung insgesamt keinen Zweifel an der Brauchbarkeit des Systems äußert.

Damit ist es dem öffentlichen Auftraggeber möglich, nach Vorliegen der Angebote zu prüfen, welches Angebot in welchem Zuschlagskriterium das von ihm gewünschte Optimum erreicht, daher für dieses Zuschlagskriterium die volle Punktzahl erhalten soll. Der Auftraggeber ist bei Verwendung offener qualitativer Zuschlagskriterien berechtigt, das Ranking der Angebote erst nach deren Öffnung festzustellen. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass diese Vorgehensweise beim Preis seit jeher Standard ist.

Die zulässige Anwendung eines offenen Bewertungssystems entbindet den öffentlichen Auftraggeber nicht von der Verpflichtung, die Zuschlagskriterien vorab möglichst eindeutig zu beschreiben, damit Anwendungsfehler erkennbar werden. Es bedarf daher der klaren Vorgabe eindeutiger Ziele, nicht aber konkreter Inhalte für die Erfüllung der vorgegebenen Bewertungsstufen, damit der Auftraggeber daraufhin kontrolliert werden kann, ob er innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums blieb, als er die eingegangenen Angebote im Hinblick auf die Zielerreichung miteinander verglich. Beschreibt der Auftraggeber die Ziele nicht eindeutig, fehlt die Vergleichbarkeit und es droht wie in den von OLG Celle und OLG Düsseldorf kürzlich entschiedenen Fällen Willkür. Je klarer der Auftraggeber die Erwartungen beschreibt, desto transparenter und leichter ist die Bewertung des Erfüllungsgrades und desto geringer die Gefahr der Willkür (so auch OLG Celle Urteil vom 23.02.2016 – 13 U 148/15).

Eine vergleichende Bewertung der Angebote von Antragstellerin und Beigeladener darf nicht ausschließlich durch Punkte erfolgen, ohne die Gründe für die eingeschränkte Punktevergabe darzustellen. Nach der Rechtsprechung zur Dokumentation (VK Hamburg, Beschluss vom 07.04.2010, VK BSU 2/10) bedarf es einer stichwortartigen Begründung, welche die Wertungsentscheidung den Grundzügen nach vollziehbar macht. Ebenso geht die VK Brandenburg (Beschluss vom 12.11.2008, VK 35/08) davon aus, dass eine aussagekräftige Begründung hinsichtlich der Punktvergabe erforderlich ist, soweit der Auftraggeber Unterschiede feststellt und diesen Unterschieden auch in der Punktezumessung Ausdruck verleiht.