Ax Projects GmbH

 

von Thomas Ax

Gemäß § 122 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge an geeignete Unternehmer zu vergeben. Welche Anforderungen an die Eignung gestellt werden, bestimmt der Auftraggeber durch entsprechende Vorgaben in der Ausschreibung. Dort legt er auch die Nachweise fest, anhand derer er die Prüfung vornehmen will (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 1. Oktober 2020, 11 Verg 9/20, ZfBr 2021, 91, 94). Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, der Art. 58 Abs. 5 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU in nationales Recht umsetzt, geben die öffentlichen Auftraggeber die zu erfüllenden Eignungskriterien, die in Form von Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit ausgedrückt werden können, zusammen mit den geeigneten Nachweisen in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung an. § 48 Abs. 1 VgV schreibt vor, dass in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung neben den Eignungskriterien anzugeben ist, mit welchen Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) Bewerber oder Bieter ihre Eignung gemäß den §§ 43 bis 47 VgV und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu belegen haben.

Eignungskriterien sind folglich nur wirksam aufgestellt und die hierzu zu erbringenden Nachweise nur wirksam gefordert, wenn sie in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt sind. Sinn und Zweck der Regelungen ist, dass potentielle Bieter bereits aus der Auftragsbekanntmachung die in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht gestellten Anforderungen ersehen können, um anhand dieser Angaben zu entscheiden, ob sie sich an der Ausschreibung beteiligen können und wollen. Nur wenn diese Angaben frei zugänglich und transparent sind, können sie diesem Zweck der Auftragsbekanntmachung gerecht werden (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018, VII-Verg 24/18, ZfBr 2019, 292, 294/95). Durch Antworten auf Bieterfragen, können die in der Bekanntmachung aufgestellten Anforderungen erläutert, aber keine abweichenden Eignungsanforderungen wirksam aufgestellt werden; hierzu bedarf es einer Änderungsbekanntmachung (Senatsbeschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 40/17, ZfBr 2018, 705, 712).

 


Nachprüfungspraxis – wie geht die Anrufung der Vergabekammer?

 

von Thomas Ax

Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt nur dann der Nachprüfung durch die Vergabekammer, wenn bestimmte Auftragssummen (EU-Schwellenwerte) erreicht oder überschritten werden (§ 106 GWB). Der Schwellenwert beträgt derzeit beispielsweise bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 221.000,00 und bei Bauaufträgen 5,538 Mio. EUR netto. Je nach Fallgestaltung, etwa bei losweiser Vergabe, gelten andere Werte, vgl. § 3 VgV.

Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf schriftlichen Antrag hin ein. Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten durch Nichtbeachten von Vergabevorschriften geltend macht. Der Antrag ist gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1-3 GWB unzulässig, wenn der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von 10 Kalender-tagen und in der Regel vor Anrufung der Kammer gerügt hat bzw., wenn der Antragsteller Vergabeverstöße, die bereits aufgrund der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbar waren, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe /Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Ferner ist ein Antrag unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind (§ 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB).

Der Nachprüfungsantrag soll ein bestimmtes Begehren enthalten. Er ist unverzüglich zu begründen (§ 161 Abs. 1 GWB). Die Begründung muss die Bezeichnung des Antragsgegners mit Anschrift, eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten. Es ist auch darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 161 Abs. 1 und 2 i.V. m. § 97 Abs. 6 GWB) und dass gegenüber dem Auftraggeber ordnungsgemäß gerügt wurde (§ 160 Abs. 3 GWB). Die sonstigen Beteiligten sollen, soweit bekannt, benannt werden (§ 161 Abs. 2 GBW).

Einen bereits erteilten Zuschlag kann die Kammer nicht wieder aufheben (§ 168 Abs. 2 GWB). Allerdings kann ein Zuschlag bzw. Vertrag unwirksam und damit ein Nachprüfungsverfahren zulässig sein, wenn ein förmliches Vergabeverfahren gar nicht durchgeführt wurde oder der Auftraggeber die Bieter oder Bewerber, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, vor Auftragserteilung hiervon nicht informiert hat. Einzelheiten hierzu, auch zu Fristen und Inhalt der Information finden sich in den §§ 134, 135 GWB. In der Regel darf ein Vertrag erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information bzw. 10 Kalendertage bei Versand auf elektronischem Wege geschlossen werden.

Die Durchführung des Verfahrens löst nach § 182 GWB Gebühren aus, die in der Regel mindestens 2.500 € und höchstens 50.000 € betragen. Voraussetzung für eine Verfahrenseinleitung ist die Zahlung eines Vorschusses von mindestens 2.500,00 €. Soweit ein Verfahrensbeteiligter unterliegt, hat er die Kosten einschließlich der gegnerischen notwendigen Aufwendungen und ggf. die Kosten der Beigeladenen zu tragen. Hierzu können auch Rechtsanwaltskosten zählen, wenn die Beiziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

Die Partei, die unterliegt, kann mit der sofortigen Beschwerde das Oberlandesgericht anrufen (§ 171 Abs. 3 GWB). Die Beteiligten müssen sich dort grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 172 Abs. 3 GWB).

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Nachprüfungspraxis – wie komme ich an die Vergabeakte?

 

von Thomas Ax

Nach § 165 Abs. 1 GWB können die Verfahrensbeteiligten die Vergabeakte sowie die Verfahrensakten der Vergabekammer bei der Vergabekammer einsehen und sich durch die Geschäftsstelle der Vergabekammer auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften erteilen lassen. Der Wortlaut des § 165 Abs. 1 GWB („bei der Vergabekammer einsehen“) ist somit darauf gerichtet, die Akteneinsicht in den Geschäftsräumen am Ort des Sitzes der Vergabekammer durchzuführen. Das ermöglicht es den Beteiligten, die Akteneinsicht entweder vor Ort bei der Vergabekammer durchzuführen oder darauf zu verzichten. Im letzteren Fall können die Beteiligten, wie in der Praxis regelmäßig üblich, erst recht von der nach § 165 Abs. 1 GWB vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen und sich von der Geschäftsstelle Abschriften der Akten anfertigen lassen, insbesondere von der der Vergabekammer nach § 163 Abs. 2 Satz 4 GWB vom öffentlichen Auftraggeber vorzulegenden Vergabeakte.

Die Überlassung der Vergabeakte bzw. der Verfahrensakte der Vergabekammer an Verfahrensbeteiligte bzw. deren Verfahrensbevollmächtigte durch die Vergabekammer ist von diesem gesetzlichen Rahmen des § 165 Abs. 1 GWB von vornherein nicht gedeckt, eine Verschickung der Vergabeakten an Verfahrensbeteiligte danach ohne jedweden Spielraum ausgeschlossen. Diese Regelung ist eine Konkretisierung des in § 167 GWB geregelten Beschleunigungsgebots.

Dieses verlangt, dass die Akten der Vergabekammer als Nachprüfungsinstanz durchgehend zur Verfügung stehen müssen, damit diese binnen der nach § 167 GWB begrenzten Entscheidungsfrist in der Lage ist, die Nachprüfung effektiv und zügig durchführen zu können. Das ist nicht gewährleistet, wenn die Kammer gehalten wäre, die Vergabeakte oder/und die von ihr zur laufenden Dokumentation des Nachprüfungsverfahrens zu führende Verfahrensakte, ggf. sogar an mehrere Verfahrensbeteiligte nacheinander, zum Zweck der Akteneinsicht, ggf. sogar ins Ausland, zu verschicken, damit diese die Akteneinsicht bei sich durchführen könnten. Hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit vorsehen wollen, dass die Akten an die Beteiligten zu versenden sind oder auch nur – nach pflicht- gemäßer Ermessensentscheidung der Vergabekammer – darüber entschieden werden könnte, ob diese versandt werden, so wäre eine klarstellende, vom Wortlaut des § 165 Abs. 1 GWB explizit abweichende Regelung geboten gewesen, die entsprechende Ausnahmen ermöglichte.

Daran fehlt es offensichtlich. Dies zeigt der Vergleich mit § 29 Abs. 3 VwVfG (Bund), der die Akteneinsicht für das allgemeine Verwaltungsverfahren regelt. Danach erfolgt die Akteneinsicht in einem Verwaltungsverfahren grundsätzlich ebenfalls bei der Behörde, die die Akten führt, ausnahmsweise bei anderen mit der Durchführung der Akteneinsicht betrauten Behörden. § 29 Abs. 3 Satz 2, letzter Hs. VwVfG (Bund) stellt weitere Ausnahmen für die Durchführung der Akteneinsicht ausdrücklich in das Ermessen der aktenführenden Behörde. Eine dem § 29 Abs. 3 VwVfG (Bund) aber entsprechende Regelung fehlt bei der speziellen nachprüfungsverfahrensrechtlichen Vorschrift des § 165 Abs. 1 GWB.

Der Gesetzgeber hat aus den oben dargelegten Gründen eine explizit abweichende spezielle Regelung geschaffen.

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Neue Themen – der richtige Vergabevermerk

 

von Thomas Ax

Der Vergabevermerk ist der Schlüssel zur rechtssicheren Durchführung des Vergabeverfahrens. Kontrollbehörde, Rechnungsprüfung,
Vergabekammer, Kommunalaufsicht – für alle ist der Vergabevermerk das entscheidende Dokument für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Beschaffung. Im Vergabevermerk müssen daher alle wesentlichen Verfahrensschritte dokumentiert werden. Alle wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren müssen begründet werden. Doch wie weit reichen die Dokumentations- und Begründungspflichten?

Ein Vergabevermerk ist ein Nachweis, dem zu entnehmen ist, welche Maßnahmen, Feststellungen und Entscheidungen in einem Vergabeverfahren getroffen wurden. Der Vermerk stellt eine lückenlose Dokumentation des gesamten Vergabeverfahrens dar. Jede Ausschreibung, ob unter- oder oberhalb der EU-Schwellenwerte ist vom Auftraggeber in einem Vergabevermerk schriftlich zu dokumentieren gem. § 8 VgV, § 20 EU VOB/A. Diese Verpflichtung gilt auch für die Beschränkte Ausschreibung und die Freihändige Vergabe (§ 20 EG VOB/A, § 20 EG VOL/A). Der Vergabevermerk ist unmittelbar nach der Festlegung des Bedarfs zu erstellen, bis zur Zuschlagserteilung fortlaufend zu ergänzen und darf nicht im Nachhinein gefertigt werden.

Welche rechtlichen Vorgaben sind zu beachten?

Der öffentliche Auftraggeber dokumentiert das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist. Dazu gehört zum Beispiel die Dokumentation der Kommunikation mit Unternehmen und interner Beratungen, der Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, der Öffnung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen, der Verhandlungen und der Dialoge mit den teilnehmenden Unternehmen sowie der Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag.

Der öffentliche Auftraggeber fertigt über jedes Vergabeverfahren einen Vermerk in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens Folgendes:

1. den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,

2. die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl,

3. die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,

4. die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden,

5. den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,

6. bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Absatz 3 genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen,

7. bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Absatz 4 genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen,

8. gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat,

9. gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,

10. gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenkonflikten und getroffenen Abhilfemaßnahmen,

11. gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, und

12. gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.

Bsp

Nur wer den Aufwand einer tiefen technischen und sachlichen Begründung in dem Vergabevermerk nicht scheut, kann bspw eine produktspezifische Vergabe rechtssicher durchführen. Dabei müssen vergaberechtlicher und technischer Sachverstand interdisziplinär zusammenarbeiten.

Bsp

Für eine Abweichung vom grundsätzlichen Gebot einer Fachlosvergabe reicht es aus, wenn nach einer Abwägung der widerstreitenden Belange die wirtschaftlichen oder technischen Gründe gegen eine solche Teilung überwiegen. Die für diese Abwägung zu dokumentierenden Angaben und Gründe müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des konkreten Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Dies erfordert eine Dokumentation mit einer ausführlichen Begründung des Entscheidungsprozesses mit seinem Für und Wider sowie eine detaillierte Begründung der getroffenen Entscheidung. Ist im Vergabevermerk die Berücksichtigung eines bestimmten Umstandes bei der Abwägung nicht zu entnehmen, kann diese Lücke nicht im Nachprüfungsverfahren geschlossen werden, weil es sich um gänzlich neuen und bislang unbekannten Sachverhalt handeln würde.

Bsp

Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad aus Gründen der Nachvollziehbarkeit größer, wenn es um die Dokumentation von Entscheidungen geht, die die Ausübung von Ermessen oder die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums enthalten. Für den Bereich der Ingenieur- und Architektenleistungen stellt die mündliche Präsentation von Planung und Team ein übliches Verfahren bei der Auswahl des am besten erscheinenden Bieters dar. Dabei sind die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Vergabevermerks aus Gründen der Nachvollziehbarkeit besonders hoch, wenn die qualitative Bewertung im Wesentlichen auf einer mündlichen Vorstellung der zur Verhandlungsrunde zugelassenen Büros beruht.

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Praxistipp (2): Angebote richtig erstellen

 

von Thomas Ax

Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Änderungen können den Inhalt der nachgefragten Leistung oder die Vertragskonditionen und Preise betreffen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. Juni 2012 – 11 Verg 12/11). Die Vorschrift dient dem Schutz des Auftraggebers, dem Wettbewerb und damit den anderen Bietern. Der Auftraggeber soll die ausgeschriebene (und keine andere) Leistung erhalten, die Angebote sollen vergleichbar sein.

Eine unzulässige Änderung liegt vor, wenn eine andere Leistung angeboten wird als vom Auftraggeber ausgeschrieben. Änderungen sind alle unmittelbaren Eingriffe mit verfälschender Absicht, wie Streichungen, Hinzufügungen, jede Abänderung einer Position, Herausnahme von einzelnen Blättern etc. (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13).

Eine Änderung an den Vergabeunterlagen liegt dann vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der Ausschreibende bestellt hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017 – Verg 54/16, s. auch BGH, Urteil vom 29.11.2016 – X ZR 122/14).

Ob eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen durch das Angebot im Einzelfall vorliegt, ist anhand einer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133157 BGB sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont festzustellen. Maßgeblich ist dabei der Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2013 –X ZR 155/10; VK Nordbayern, Beschluss vom 09.12.2021 – RMF-SG21-3194-6-36, zur VgV; BayObLG, Beschluss vom 17.06.2021 – Verg 6/21).

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Praxistipp (1): Richtig rügen

 

von Thomas Ax

Was den Inhalt der Rüge anbelangt, so ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines Kenntnisstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21, unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2011 – Verg 58/10).

Der Antragsteller muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus.

 

Da die Rüge den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller – um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen – bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht (vgl. zum Vorstehenden, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 – Verg 9/21 m.W.N.).

 

Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Formulierungen wie „nach unserer Kenntnis“ oder „nach unserer Informationslage“ genügen in der Regel nicht (vgl. zum Vorstehenden OLG Düsseldorf, a.a.O., mit zahlreichen Nachweisen).

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Praxistipp: Vergabeverfahren erfordert fristgerechtes Angebot, das die Erteilung des Zuschlages ermöglicht

 

von Thomas Ax

Bei der Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen tritt die öffentliche Hand wie ein privater Auftraggeber als Nachfrager am Markt auf und schließt privatrechtliche Verträge ab. Die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand ist somit ein fiskalischer Vorgang, der dem Zivilrecht unterfällt (Völlink in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, VOB/A-EU, § 18 EU, Rn. 2, m. w. N.). Damit gilt auch das BGB, insbesondere die Regeln der §§ 145 ff. BGB. Der Zuschlag, der vor Ablauf der Bindefrist erfolgt und das abgegebene Angebot (Antrag, § 145 BGB) nicht abändert, enthält die Annahme des Angebotes (§§ 147 ff. BGB) durch den Auftraggeber und bringt den Vertrag zustande (vgl. Völlink in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, VOB/A-EU, § 18 EU, Rn. 1 5 vgl. Rüßmann, Bürgerliches Vermögensrecht, S. 121). Diese Regeln sind der Kern auch des Vergabeverfahrens, sie sind der Hintergrund der unterschiedlichen Vergabearten, des Regelwerks der VOB/A und der konkreten Maßgaben des Antragsgegners im streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Ist das Vergabeverfahren auf das Zustandekommen eines Vertrages durch den Zuschlag des öffentlichen Auftraggebers ausgerichtet, so erfordert dies ein fristgerechtes Angebot, das die Erteilung des Zuschlages auch ermöglicht. Das ist zB dann nicht der Fall, wenn das „Angebot“ zunächst nur als invitatio ad offerendum angesehen werden kann, bei der der Erklärende sich die Entscheidung über den Vertragsschluss vorbehalten will und der fehlende Rechtsbindungswille für den Erklärungsempfänger auch erkennbar ist (Fritzsche, Der Abschluss von Verträgen, §§ 145 ff. BGB, JA 2006, 674, 675).

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Praxistipp: Nachprüfungsverfahren ohne Erfolgsaussicht, wenn Bieter auch bei Vermeidung des Vergabefehlers keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat

 

von Thomas Ax

Zwingende Voraussetzung für den Erfolg eines Nachprüfungsverfahrens ist ein Schaden bzw. eine Verletzung in eigenen Rechten. Die Notwendigkeit einer tatsächlichen Rechtsverletzung geht insoweit über die für die Zulässigkeit des Antrags ausreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung hinaus. § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB fordert, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Rechtsverstöße der Vergabestelle müssen sich danach auch ausgewirkt haben oder noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers auswirken können. Die Vergabekammer hat nach § 168 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GWB zu prüfen, ob ein Antragsteller tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist. Es genügt nicht, dass eine bieterschützende Vorschrift missachtet wird. Der Antragsteller muss sich auf diese Verletzung vielmehr auch konkret berufen können, d. h. die Vorschrift muss zu seinen Lasten verletzt sein (OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 – Verg 15/09; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom .06.2012 – 1 VK 16/12; Beschluss vom 28.05.2009 – 1 VK 21/09). Ein Nachprüfungsverfahren kann keinen Erfolg haben, wenn eindeutig feststeht, dass auch bei Vermeidung des Vergabefehlers der Bieter keinerlei Aussicht auf den Zuschlag hat (OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 – Verg 2/10). Das ist offensichtlich dann der Fall, wenn das Angebot eines Bieters in jedem Fall keine Berücksichtigung finden kann.

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Vergabemanagement Verg Man ® für Bieter – Effektive und erfolgversprechende Angebotsstrategien (2): Verwendung von Formblättern

 

von Thomas Ax

Die einseitige Vorgabe der Vergabestelle, bei Nichtverwendung eines in den Vergabeunterlagen enthaltenen Formblatts gelte ein Angebot „als nicht abgegeben“, steht der Einordnung als rechtsverbindliches Angebot nicht entgegen. Die Nichtverwendung eines von der Vergabestelle vorgegebenen Formblatts führt auch nicht ohne Weiteres zur Formnichtigkeit des Angebots. Der Ausschluss eines Angebots nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV wegen Nichtwahrung einseitiger Formvorgaben bezieht sich nur auf Vorgaben im Rahmen des § 53 VgV. Der Ausschluss wegen Unvollständigkeit kommt nicht in Betracht, solange nicht über die Nachforderung entschieden ist. Die Vorgabe „mit dem Angebot einzureichen“ begründet nicht ohne Weiteres eine Selbstbindung nach § 56 Abs. 2 VgV.

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Vergabemanagement Verg Man ® für Bieter – Effektive und erfolgversprechende Angebotsstrategien (1): Vollständigkeit des Angebotes

 

von Thomas Ax

Angebote müssen die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten

Gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A müssen die Angebote die geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten.

Angebote sind auszuschließen, die die geforderten Unterlagen im Sinne von § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A nicht enthalten

Nach § 16 EU Nr. 3 VOB/A sind Angebote auszuschließen, die die geforderten Unterlagen im Sinne von § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A nicht enthalten, wenn der öffentliche Auftraggeber gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A festgelegt hat, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.

Unterlagen im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A sind insbesondere sämtliche unternehmens- und leistungsbezogene Angaben und Erklärungen des Bieters

Unterlagen im Sinne von § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A sind grundsätzlich alle in der danach zu erstellenden gesonderten Liste aufgeführten Nachweise und Erklärungen. (Stolz/Klein in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 16 VOB/A EU, Rn. 29).

Zu den Unterlagen im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zählen insbesondere sämtliche unternehmens- und leistungsbezogene Angaben und Erklärungen des Bieters (vgl. Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 7. Aufl., § 16 VOB/A, Rn. 32).

Begriff der Unterlagen ist weit zu verstehen

Der Begriff der Unterlagen ist dabei denkbar weit zu verstehen. Zu leistungsbezogenen Unterlagen gehören alle Unterlagen, die den Inhalt des Angebotes betreffen. Darunter fallen insbesondere Hersteller-, Typ- und Produktangaben sowie Produktdatenblätter und auch Erläuterungen zu den einzelnen Preisen und Mengenansätzen (Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, a. a. O., § 16a VOB/A, Rn. 6).

Gefordert ist eine Erklärung, wenn der Auftraggeber die Vorlage einer bestimmten Erklärung unmissverständlich verlangt

Gefordert ist eine Erklärung erst, wenn der Auftraggeber die Vorlage einer bestimmten Erklärung oder eines bestimmten Nachweises unmissverständlich verlangt hat. Es bedarf außerdem einer eindeutigen Anforderung in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht, sodass die Bieter den Vergabeunterlagen deutlich und sicher entnehmen können, welche Erklärungen und Nachweise nicht als gefordert angesehen werden und dass Fehler nicht zum Ausschluss führen (Stolz/Klein in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 16 VOB/A EU, Rn. 29, 33). Der Auftraggeber hat nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 VOB/A in den Vergabeunterlagen die vom Bieter mit dem Angebot vorzulegenden unternehmens- und leistungsbezogenen Unterlagen aufzuführen. Die Forderung, dass dies an „zentraler Stelle“ zu geschehen habe, ist dahingehend zu verstehen, dass der Auftraggeber die Unterlagen dort aufzuführen hat, wo der Bieter mit entsprechenden Hinweisen rechnen muss. Zudem wird es im Regelfall geboten sein, dass die Anforderungen an die vorzulegenden Unterlagen im Zusammenhang dargestellt werden, d. h., die Hinweise nicht verstreut über mehrere Stellen in den Vergabeunterlagen erfolgen. Die Anforderung muss zudem im Hinblick auf Art, Umfang, Inhalt und Zeitpunkt der vorzulegenden Erklärungen eindeutig und unmissverständlich sein. Gegebenenfalls ist sie aus der Sicht eines verständigen, fachkundigen und mit der Ausschreibung vertrauten Bieters auszulegen (OLG München, Beschluss vom 12.10.2012 – Verg 16/12 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2009 – Verg 37/09 -; Frister, a.a.O., § 16 VOB/A, Rn. 32, 33).

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